Weltweiter Anstieg bei Tuberkulose

Krankheit der Armen

Weltweit steigt die Zahl der Tuberkulose-Erkrankten laut Weltgesundheits- organisation. Mit rund 9,4 Millionen Erkrankungen und 1,8 Millionen Todesfällen jährlich gilt sie als gefährlichste Infektionskrankheit. Das Tückische an der Krankheit: mit ihren anfänglichen Symptomen ähnelt sie einer Grippe. Besonders in Entwicklungsländern erkranken viele Menschen.

Autor/in:
Sabine Ludwig
Welttuberkulosetag: Ein Abbruch der Tbc-Theraphie wäre fatal (KNA)
Welttuberkulosetag: Ein Abbruch der Tbc-Theraphie wäre fatal / ( KNA )

Makida Bedaso sitzt im Gesundheitsposten von Jango Kilisa im Hochland von Äthiopien. Sie hat immer noch Lungenschmerzen. Doch das Stechen im Oberkörper ist schon besser geworden - seit sie täglich zur Tabletteneinnahme kommt. Die 28-Jährige hat eine wahre Odyssee hinter sich. "Zuerst hat mich mein Mann geschlagen", sagt die Mutter von vier Töchtern leise. "Er hat mir nicht geglaubt, dass ich krank bin." Das Ersparte wurde zusammengekratzt und Makida ins Krankenhaus der Bezirkshauptstadt Asela gebracht.



Täglich muss sie zwei Stunden für ihre Tabletten laufen

Doch die Ärzte fanden für die Beschwerden keine Erklärung. Ihr Mann erlaubte ihr noch einen Krankenhausbesuch. Eine Kuh wurde verkauft, denn das Geld der Familie war aufgebraucht. Endlich erhielt Makida die Diagnose: Tuberkulose. Makida wurde zum nächstgelegenen Gesundheitsposten überstellt. Täglich muss sie zwei Stunden laufen, um pünktlich um 8.30 Uhr ihre Tabletten entgegennehmen zu können.



Pro Jahr erkranken 9,4 Millionen Menschen weltweit an Tuberkulose (TBC); rund 1,8 Millionen Patienten sterben daran. "Wer nur wenig Geld für Nahrungsmittel ausgeben und sich kein Gemüse, Obst oder Milch leisten kann, hat ein erhöhtes Risiko zu erkranken", sagt Burkard Kömm, Geschäftsführer der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW).



Abbruch der Therapie wäre fatal

"Makida wünscht sich so sehr, wieder gesund zu werden", sagt Gesundheitshelferin Kedisa Ashim. Die Behandlung ist für die Frau kostenlos. "Wenn wir unseren Patienten die Tabletten mitgeben, werden sie vergessen, an andere verteilt oder sogar verkauft", sagt Kedisa aus Erfahrung. Makidas Chancen auf Heilung sind gut. Aber nur, wenn sie die Pillen regelmäßig einnimmt. Ein Abbruch der Therapie wäre fatal. Dann entwickeln sich Resistenzen, die nicht mehr heilbar sind.



Als eine von mehr als 900 Gesundheitshelferinnen an 500 ländlichen Gesundheitsposten im Bezirk Arsi wurde die 22-jährige Kedisa von der DAHW geschult. Zu ihren Aufgaben gehört die Suche nach TB-Infizierten in den umliegenden Dörfern. Ihr zur Seite steht die 20-jährige Mestawot. "Learning by doing" ist die Devise. Inhalte der Schulungen sind Gesundheitserziehung in den Dörfern, Zusammenarbeit mit den Dorfältesten, Speichelproben nehmen, die richtige Dosierung der Medikamente und eine zielgruppengerechte Beratung der Patienten.



Etwa jeder zehnte Patient ist wegen eines schwachen körpereigenen Abwehrsystems auch HIV-positiv.



Fehldiagnose Erkältung

Das Tückische an einer TBC-Erkrankung ist ihre Verharmlosung. Betroffene in weit entfernten Dörfern glauben oft, dass es sich um eine Erkältung handelt. Sie versuchen traditionelle Medizin, bis sie so schwach sind, dass sie nicht mehr laufen können. Da die meisten Familien von der Hand in den Mund leben, ist der Transport ins nächste Krankenhaus unerschwinglich. Der Erkrankte ist ein Kostenfaktor und kann selbst nicht mehr zum Einkommen der Familie beitragen. In den meisten Fällen, wie bei Makida, helfen die Nachbarinnen. Sie kümmern sich um die Versorgung der Kinder, sammeln Feuerholz und holen Trinkwasser.



Das Beschaffen von Holz und Wasser ist nicht nur in Äthiopien, sondern in ganz Afrika Aufgabe der Frauen. "Mein Mann hat sich sogar um Feuerholz gekümmert. Kein anderer Ehemann würde das tun", lobt Makida. Pandemien wie Tuberkulose können die Volkswirtschaft eines ganzen Landes beeinflussen: Arbeitskräfte fallen weg, Einkommen reduzieren sich auf ein Minimum. Ohne Behandlung werden Verwandte und Nachbarn infiziert - ein fataler Kreislauf für jede Familie und für jedes Dorf.



Makida hat Glück gehabt. Mit den Tabletten wird sie in ein paar Monaten ganz gesund sein. "Ich habe mich bestimmt beim Wasserholen angesteckt; da gibt es immer viele Leute", vermutet sie. "Ohne rechtzeitige Behandlung wäre die Frau binnen eines Jahres gestorben", sagt Gesundheitshelferin Kedisa. Makida Besado hört das und lächelt. Wenn es ihr gut geht, denkt sie über die Zukunft nach.



Kinder möchte sie nicht mehr, dafür ihren Töchtern eine gute Ausbildung ermöglichen. Sie selbst will sich noch ein paar Kühe anschaffen. Dann könnte sie durch Viehzucht und Ackerbau zum Einkommen beitragen. Bis dahin kümmert sich ihre zehnjährige Tochter um die Familie.