Der Libyen-Einsatz der UN entzweit auch Kirchenvertreter

Sünde oder Pflicht?

Richtig oder falsch? Zu spät oder zu früh? Sünde oder Pflicht? Der Militäreinsatz der Vereinten Nationen in Libyen spaltet auch Kirchenvertreter weltweit. domradio.de dokumentiert die wichtigsten Stimmen.

 (DR)

Kurienkardinal Kurt Koch kritisiert das späte Eingreifen der Staatengemeinschaft. Die Durchsetzung der Flugverbotszone komme "zu spät", sagte der Schweizer Kardinal am Montag dem deutschsprachigen Programm von Radio Vatikan. "Es ist ein großes Ärgernis, wie die ganze Welt zuschaut, wie ein Diktator sein eigenes Volk umbringt." Er finde die Situation in Libyen "äußerst tragisch", so Koch, der im Vatikan für Ökumenefragen verantwortlich ist. Vor allem bewege ihn "die Hilflosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft", dem Konflikt um Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi entgegenzuwirken.



Der katholische Bischof in Tripolis, Giovanni Martinelli, dagegen fordert ein Ende der Kampfhandlungen. "Der Krieg ist keine Lösung", sagte Martinelli am Montag dem vatikanischen Pressedienst Fides. Die Waffen sollten schweigen, es müsse umgehend mit Verhandlungen über eine friedliche Lösung begonnen werden. Die Diplomatie habe keine Chance erhalten, kritisierte der aus Italien stammende Bischof. Unterdessen flüchten immer mehr Menschen vor den Bombenangriffen aus Tripolis, wie Martinelli berichtete. In der Stadt seien Bombenangriffe auf Vororte zu hören. Einrichtungen der Kirche versuchten gegenwärtig, Flüchtlinge aus Eritrea an die ägyptische Grenze in Sicherheit zu bringen.



Deutliche Kritik äußerte auch die katholische Friedensbewegung Pax Christi. Die Durchsetzung der Flugverbotszone sei mit wachsendem Leid für die Zivilbevölkerung verbunden, sagte der Vizepräsident der deutschen Sektion, Johannes Schnettler, am Montag im Interview mit domradio.de. Deutliche Vorbehalte äußerte Schnettler auch gegenüber der deutschen Enthaltung im Weltsicherheitsrat. Es handele sich um ein verstecktes Ja zu dem Einsatz.



Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hält den militärischen Einsatz in Libyen für angemessen. Es sei eine ganz schwierige Entscheidung, denn Krieg solle nach Gottes Willen nicht sein, sagte Schneider in der vorab aufgezeichneten Sendung "THADEUSZ" im Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb). "Das Tun ist Sünde, aber das Unterlassen ist auch Sünde", so Schneider. Schneider plädierte für den Einsatz von UNO-Soldaten gegen das Regime des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi. "Wir kommen an der Sünde nicht vorbei, denn hier haben wir eine Form von Gewalt, der man auch mit Gewalt widerstehen muss."



Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, signalisierte Zustimmung zum Militärschlag gegen das Regime des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi signalisiert. "Das Evangelium weist uns die Pflicht zu, für jene einzutreten, die in Schwierigkeiten sind. Wenn jemand meine Mutter angreift, die im Rollstuhl sitzt, habe ich die Pflicht einzugreifen", zitiert ihn die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" (Montag). Zugleich bekundete Bagnasco seine Hoffnung auf ein baldiges Ende der Militäraktion und den Schutz der libyschen Bevölkerung.