Klinikexperte Baumann zur Situation christlicher Krankenhäuser

"Sensibilität für Sorgen und Sinnfragen der Patienten"

Spitzenvertreter aus Management und Leitung katholischer und evangelischer Krankenhäuser beraten noch bis Freitag in Heidelberg über Chancen und Schwierigkeiten konfessioneller Kliniken im umkämpften Gesundheitssystem. Der Mitveranstalter des Kongresses und Freiburger Professor für Sozialarbeit, Klaus Baumann, ruft im Interview zur Stärkung des christlichen Profils auf.

 (DR)

KNA: Herr Professor Baumann, was sollte ein katholisches oder evangelisches Krankenhaus von einer Klinik in privatwirtschaftlicher Trägerschaft unterscheiden?

Baumann: Zunächst gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten. Denn natürlich steht die bestmögliche fachliche medizinische und pflegerische Betreuung in allen Krankenhäusern in Mittelpunkt. Hinzu kommt in christlichen Häusern aber vielleicht eine spezifische Haltung, die mit dem christlichen Menschenbild zusammenhängt. Es geht um eine intensivere Zugewandtheit zu den Patienten. Von einem Arzt im christlichen Krankenhaus wird verlangt, dass er immer wieder neu den Menschen sieht, ihn in seinen Nöten und Schmerzen zu verstehen versucht. Dazu gehört, dass er sich Zeit nimmt und Geduld übt.



KNA: Ist das in der Praxis überhaupt umzusetzen?

Baumann: Leider weiß jede Krankenschwester, jeder Pfleger und jede Ärztin, wie schwierig dies im hektischen Klinikalltagsgetümmel ist.

Zum Selbstverständnis eines katholischen oder evangelischen Krankenhauses sollte es daher auch gehören, die Mitarbeiter vor Überforderung und Überlastung zu schützen. Denn im aktuellen Gesundheitssystem besteht die Gefahr der Ausbeutung von Medizinern und Pflegekräften.



KNA: Rund ein Drittel der bundesweit etwa 2.100 Kliniken ist in kirchlicher Trägerschaft - wird das in zehn Jahren auch noch so sein?

Baumann: Derzeit laufen viele Konzentrationsprozesse hin zu größeren Kliniken. Es gibt auch einen Trend zu mehr privaten Trägern. Es wird also darauf ankommen, dass es den christlichen Krankenhäusern gelingt, ihre besonderen Qualitäten deutlich zu machen. Zu zeigen, dass sie etwas Wertvolles, Unverzichtbares ins Gesundheitswesen einbringen können.



KNA: Wie werden sich kirchliche Krankenhäuser in Zukunft also auf dem Markt behaupten können?

Baumann: Zu allererst durch hervorragende Qualität der Behandlung und Pflege. Hinzu tritt dann die höchste Sensibilität für Sorgen und Sinnfragen der Patienten und ihrer Angehörigen. Und auch, religiöse oder spirituelle Angebote zu machen, etwa in der Person von Klinikseelsorgerinnen und -seelsorgern oder mit Rückzugsmöglichkeiten in Räumen der Stille.



KNA: Sehen die christlichen Kliniken die Gefahr einer Zweiklassenmedizin für Arme und Reiche?

Baumann: Ja, wir steuern derzeit nicht nur auf eine Zweiklassenmedizin zu, sondern auf eine Ausdifferenzierung und Ausfaltung von zahlreichen möglichen Sonderbehandlungen und Zusatzleistungen, die sich nicht mehr jeder wird leisten können.

Demgegenüber steht eine Beschränkung auf eine Art Grundversorgung. Und hier sehe ich gerade die Aufgabe der christlichen Kliniken, diese Grundversorgung in einer guten Art und Weise zu leisten, die wirklich Heilung umfassend ermöglicht und nicht die Armut verstärkt.



Interview: Von Volker Hasenauer