Das Europaparlament befasst sich mit der Integration der Roma

Slumkindern eine Zukunft geben

Während Europaparlamentarier am Dienstag ein weiteres Mal diskutieren, mit welcher Strategie die Roma integriert werden können, legen kirchliche Hilfswerke Hand an. Sie kämpfen seit Jahren dafür, die Lebensbedingungen für die gesellschaftlich diskriminierte Volksgruppe zu verbessern.

Autor/in:
Marcus Mockler
 (DR)

Bangladesch liegt in Europa. Genauer in der serbischen Provinzhauptstadt Novi Sad, eine Autostunde nördlich von Belgrad. In den primitiven Häusern der Siedlung Bangladesch vegetieren Roma-Familien. Von 270 Bewohnern haben nur drei einen Arbeitsplatz - der Rest lebt von Müllsammeln, Betteln und Sozialhilfe.



Mehmet Ali Bislimi hat fünf Töchter und drei Söhne. Der 39-Jährige ist ein heller Kopf. Er konnte zwar nie einen Schulabschluss machen, hat aber aus Elektronikschrott einen Computer zusammengebastelt, mit dem er inzwischen sogar ins Internet kommt. "Die meisten hier in Bangladesch wissen gar nicht, was Internet ist", schmunzelt Bislimi. Seine Familie haust in einem umgebauten Stall auf zwölf Quadratmetern - alle schlafen im selben Raum.



Auf den Familienvater kommen große Aufgaben zu: Sein neunjähriger Sohn ist seit einem Autounfall querschnittsgelähmt. Sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird, muss Bislimi bessere Wohnverhältnisse nachweisen, sonst geben die Behörden das Kind in ein Behindertenheim. Mit Hilfe der Ökumenischen Humanitären Organisation (EHO) in Novi Sad konnte der Vater bereits einen gemauerten Rohbau errichten. Seinen Sohn hergeben, kommt für ihn nicht infrage.



"Hoffnung für Osteuropa"

Die Hilfsorganisation wurde 1993 in Novi Sad auf Initiative des Weltkirchenrats gegründet. Sie leistet diakonisch-karitative Arbeit in der Provinz Vojvodina. Zu den wichtigsten Partnern zählen das Hilfswerk der Evangelischen Kirche der Schweiz und die Aktion "Hoffnung für Osteuropa" des Diakonischen Werks Württemberg. EHO setzt sich für den Aufbau von Behinderteneinrichtungen ein, betreibt eine Beratungsstelle für HIV-Infizierte, organisiert einen Besuchsdienst für Krebskranke und unterhält ein Straßenkinderprojekt in Novi Sad.



Den Roma gilt der besondere Einsatz des lutherischen Pfarrers und EHO-Direktors Vladislav Ivi iak und seinem Team. Diese gesellschaftliche Gruppe hat ohne Hilfe kaum eine Chance, in geregelte Verhältnisse zu kommen. Beispielsweise haben die Behörden die bürokratischen Hürden für den Bezug der Sozialhilfe so hoch gesetzt, dass viele Roma es gar nicht erst versuchen.



Außerdem engagiert sich die Organisation dafür, dass die Roma-Kinder bis zu einem Abschluss die Schule besuchen. Von 196 geförderten Schülern haben es seit 2008 immerhin 87 Prozent geschafft. Weitere Unterstützung gibt es für Roma, die ihr eigenes Gewerbe starten wollen. Als Starthilfe gibt es beispielsweise ein Schweißgerät, einen Backofen, eine Motorsäge oder ein kleines Malergerüst. Die Hilfsorganisation achtet sehr genau auf korrekte Verwendung, um die Versuchung zu mindern, die Starthilfe im Bedarfsfall weiterzuverkaufen.



Robert Bu, der die Roma-Arbeit koordiniert, wünscht sich noch mehr Initiative von den Menschen in Bangladesch. Einige sind auf das Angebot angesprungen, ihre primitive Slumhütte in eine kleine Wohnung mit Nasszelle auszubauen. EHO hat auch geholfen, dass die Siedlung Strom- und Wasseranschluss bekommt. Hin und wieder scheitern allerdings auch Initiativen. Ein Gemeinschaftshaus, das als Versammlungs- und Veranstaltungsraum für die Bewohner gedacht war, steht heute nicht mehr, weil sich niemand dafür verantwortlich fühlte.



Die kirchliche Organisation macht auch nach Rückschlägen weiter. Sie setzt sich für Familien wie die von Mehmet Ali Bislimi ein. Dessen ältester Sohn Ramiz hat schon klare Vorstellungen, was er später einmal machen will. Der 15-Jährige träumt von einer Zukunft als Computerexperte.