Rund sechs Millionen Deutsche sind Vegetarier - Tendenz steigend

Fleischlos glücklich

"In Restaurants brachte ich regelmäßig die Küche zur Verzweiflung, wenn ich erklärte, weder Fleisch noch Fisch essen zu wollen", erzählt die Schriftstellerin Charlotte Link. In den 70er Jahren galt sie wegen ihrer Ernährung als "seltsame Sektiererin". Heute staune niemand mehr. Der vegetarische Lebensstil ist so angesagt wie noch nie - und durch den Dioxin-Skandal quasi in aller Munde.

Autor/in:
Miriam Bunjes
 (DR)

"Lebensmittelskandale gibt es ja leider ständig", sagt Sebastian Zösch, Vorsitzender des Vegetarierbundes Deutschland (Vebu). In der Öffentlichkeit sei die Meinung verbreitet, dass der Futtermittelskandal ohne die Massentierhaltung nicht entstanden wäre.



Die ethische Dimension des Fleischkonsums

"Es geht darum, was die Billigproduktion von Tieren mit Umwelt und Klima macht, und erstmals geht es auch ernsthaft um die ethische Dimension des Fleischkonsums."



"Vegetarismus boomt", sagt Zösch. "Unsere Mitgliederzahlen steigen, ebenso wie die Anfragen von Großküchen, die vegetarische Tage einführen wollen." Die Nachfrage bestimmt das Angebot: Die Fastfoodkette McDonalds führt seit einem dreiviertel Jahr wieder den Veggieburger, auch die "Bild"-Zeitung informiert über die gesundheitlichen Vorteile der vegetarischen Ernährung, und Karen Duve ist mit ihrem Buch "anständig essen" sowieso Bestseller und Dauergast in den Medien.



"Sich gesund ernähren zu wollen, ist oft der Anstoß"

Etwa sechs Millionen Menschen leben nach Angaben des Vegetarierbundes in Deutschland vegetarisch, etwa zehn Prozent von ihnen vegan - das heißt, sie verzichten vollständig auf tierische Produkte wie Milch, Käse, Eier oder Honig. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: "Sich gesund ernähren zu wollen, ist oft der Anstoß", sagt Zösch, selbst Veganer. "Wer über gesundes Essen nachdenkt, schaut auch auf die Produktionsbedingungen und bekommt dann ethische Bedenken."



Bei Charlotte Link war es die Liebe zu den Tieren. Sie hörte schon als Achtjährige auf, sie zu essen. "Im Grund hatte ich mit dem Fleischessen von dem Moment an Probleme, als ich realisierte, dass Tiere sterben müssen, damit ich etwas zu essen habe", sagt die heute 47-Jährige. Gleichzeitig wusste sie, dass sie nicht auf Fleisch angewiesen ist, um zu überleben. "Irgendwann habe ich die Zerrissenheit, in die mich mein Gewissen stürzte, nicht mehr ausgehalten und wurde Vegetarierin."



"Der Jamie Oliver der fleischlosen Küche"

Bei Attila Hildmann war es anders. Der 29-Jährige Physik-Student wird inzwischen als "neuer Kochpapst" und "der Jamie Oliver der fleischlosen Küche" bejubelt. Für sein neuestes Kochbuch bekommt er an diesem Wochenende (12./13. Februar) auf der ersten deutschen Vegetariermesse VeggieWorld in Wiesbaden die Auszeichnung "Kochbuch des Jahres 2011". Und mit seiner Kochshow im Video-Portal Youtube gilt er als Trendsetter.



Hildmann ist seit zehn Jahren Veganer, er nennt sich aber nicht mehr so. "Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ständig mit dem Finger auf andere Leute zeigen und mit dem Fressen und Gefressenwerden in der Natur generell ein Problem haben." Für ihn ist fleischlos Lifestyle. "Dazu gehört, mir selbst, der Erde und den Tieren etwas Gutes zu tun." Er ist durch einen "sehr durchtrainierten, sportlichen" Freund zum Vegetarismus gekommen.



"Ich wurde durch meine Ernährung schnell immer fitter und schlanker", sagt Hildmann. "Und weil ich komplett in der Hand haben wollte, was ich esse, auch unterwegs, habe ich dann schnell alle tierischen Produkte vom Speiseplan gestrichen." Verzichten wollte er aber auf nichts. Und fing deshalb an, seine alten Lieblingsgerichte vegan nachzukochen.



Auch Charlotte Link hält nichts vom moralischen Zeigefinger, weil sie nicht abschrecken, sondern Nachahmer finden will. "Die Gesellschaft muss sich irgendwann die Frage stellen, wie viel Gewalt gegen Wehrlose sie in ihrer Mitte zulassen will", sagt die Autorin. Sie hat den Eindruck, dass darüber immer mehr Menschen nachdenken.