NATO-Chef setzt sich für konvertierten Christen in Afghanistan ein

"Soll Karzai mich doch umbringen"

Die Geschichte des Afghanen Sayed Mussa geht gerade um die Welt: Der Mann war Anfang des Jahrtausends vom Islam zum Christentum übergetreten – nun droht ihm in seiner Heimat offenbar die Todesstrafe. Dass die internationale Gemeinschaft nun Druck macht, begrüßte die Gesellschaft für bedrohte Völker gegenüber domradio.de.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

In einem Fall wie dem von Sayed Mussa, der bereits öffentlich ist, müsse weiter Druck ausgeübt werden, sagte der Afghanistan-Referent der Menschenrechtsorganisation Tillmann Schmalried am Dienstag (08.02.2011) im Interview mit domradio.de. Afghanistan werde von der Politik zu oft "mit Samthandschuhen angefasst".



NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte ebenfalls am Dienstag angekündigt, eine Hinrichtung oder eine andere Bestrafung wegen des Wechsels der Religion widerspreche den Prinzipien des Verteidigungsbündnisses, wie die britische Zeitung "The Telegraph" berichtete. Zuvor hatte es Berichte gegeben, dass der 46-jährige Rote-Kreuz-Mitarbeiter Sayed Mussa, der zum Christentum konvertiert ist, in den kommenden Tagen gehängt werden solle. Nach Auskunft von Menschenrechtsaktivisten habe ihn ein Richter im Gefängnis besucht und ihm erklärte, er werde hingerichtet, wenn er nicht zurück zum Islam konvertiere, schrieb die britische "Daily Mail".



Mussa arbeitet seit 16 Jahren für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes in Afghanistan. Als junger Mann verlor er ein Bein, als er als Soldat der afghanischen Armee auf eine Landmine trat. Er kümmert sich seither um andere amputierte Menschen. Im Mai 2010 wurde der Vater von sechs Kindern verhaftet, weil er vor neun Jahren zum Christentum übergetreten war.



"Wahrscheinlich Tausende Konvertiten"

Die afghanische Verfassung garantiert zwar die freie Religionsausübung, so Afghanistan-Experte Schmalzried. Doch den Richtern stehe es frei, nach dem islamischen Scharia-Gesetz zu urteilen, das die Abkehr vom Islam als Gotteslästerung wertet, die mit dem Tode bestraft werden kann, seitdem 2002 die Islamisten die oberste Rechtsprechung übernommen hätten. Das Thema der Konvertiten in Afghanistan sei grundsätzlich ein schwieriges. Vermutlich gebe es Tausende, die vom Islam zum Christentum übergetreten seien, "aber keiner weiß, wie viele genau". In der Regel werde das Thema nicht nach außen getragen.



"Doch wenn Familienkonflikte und eine Konversion aufeinandertreffen, kann es zu Problemen kommen", erklärt der Menschenrechtler weiter. In der Vergangenheit habe man es so geregelt, dass Konvertiten dann das Land verlassen haben. Doch "wenn ein Fall vor Gericht kommt, wird es ein Problem". Dann könne die Konversion durchaus Todesstrafe bedeuten.



Die Gesellschaft für bedrohte Völker habe ein eigenes Projekt, das sich um Konvertiten kümmert. Schmalzried kritisiert, dass sich die Kirchen in Deutschland zu wenig um diese Fälle kümmerten und das Feld hier den Evangelikalen und Freikirchen überließen.



Unklares Schicksal

Mussas Verhaftung im Mai kam zu einem Zeitpunkt, als afghanische Fernsehsender über ausländische Hilfswerke berichteten, die angeblich Afghanen zum Christentum bekehrten. Die Regierung suspendierte zwei christliche Organisationen und untersuchte die Vorwürfe ausführlich, obwohl die Anschuldigungen haltlos waren.



Dennoch gab es in Kabul tagelang wütende Straßenproteste. Aus Furcht vor Übergriffen durch den aufgebrachten Mob soll Mussa sich Berichten zufolge bei seiner Verhaftung auf dem Weg zur deutschen Botschaft in Kabul befunden haben, um dort um Asyl zu bitten.



Mussas Schicksal ist unklar. Auf Druck der amerikanischen Botschaft wurde er laut "New York Times" in ein Gefängnis verlegt, in dem er vor Übergriffen durch andere Häftlinge sicher sei. Ein Prozess wurde immer wieder verschoben. Laut "Sunday Times" will sich Muss unter keinen Umständen vom Christentum lossagen. Eher würde er sterben, als seinen Glauben zu leugnen. "Soll Karzai mich doch umbringen - ich bleibe ein Christ."