Deutscher Seelsorger zur Lage in Kairo

Bessere Zukunft für Christen in Ägypten

Ägyptens Präsident Mubarak kann die Mengen nicht mehr besänftigen. Die Demonstranten bleiben bei ihrer Forderung nach einem sofortigen Rückzugs Mubaraks. Auch der deutsche Seelsorger in Ägypten meint: "Die Leute lassen sich nicht mehr abschütteln." Zudem ist Monsignore Schroedel überzeugt: "Wenn eine Demokratie hier Fuß fassen wird, dann geht es den Christen in der Zukunft eher besser."

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

"Ich muss sagen, die Erfahrung von Gemeinschaft in diesen Tagen ist schon etwas Besonderes." Frank van der Velden wirkt vergleichsweise entspannt in den Krisentagen von Kairo. Mit seiner Familie und mit Pfarrer Joachim Schroedel versucht der Laienseelsorger der deutschsprachigen Gemeinde in Ägypten, seinen verunsicherten Landsleuten einen Halt und Ankerpunkt zu bieten.



Nachts ballern selbsternannte Bürgerwehren

Nachts ballern selbsternannte Bürgerwehren in die Luft, auch im sonst eher ruhigen Stadtviertel Maadi. Schüsse in der Nacht - das gehört schon längst nicht mehr zum Erfahrungshorizont von Deutschen. Und so verlassen die meisten dieser Tage das Land; teils aus echter Angst, manche aus reiner Vorsicht.



Van der Velden lebt schon mehr als ein Jahrzehnt in Kairo und hat schon andere Krisen erlebt. "Wir haben Strom und Telefon, wir können tagsüber einkaufen gehen; einheimisches Obst und Gemüse wird weiter frisch angeliefert." Trotzdem werde es einem natürlich etwas mulmig, wenn einfache Leute mit Messern und Gewehren anträten, um Polizeiaufgaben zu übernehmen und über Recht und Unrecht zu entscheiden. Schutz der Nachbarn, "Räuber und Gendarm" und Abbau von halbstarkem Frust liegen da nicht immer weit auseinander. Plünderungen, betont der Seelsorger, gebe es aber vor allem in Kaufhäusern und Gebäuden, die mit der Familie Mubarak zu tun hätten.



Informationsquelle Gottesdienst

Manche Gemeindemitglieder haben keinen Fernseher - und sind entsprechend schlecht informiert, was ein paar Kilometer weiter Gefährliches oder Geschichtsträchtiges vor sich geht. Da ist die Begegnung beim allmorgendlichen Gottesdienst oder auf dem Spielplatz bei den befreundeten Ordensfrauen Selbstvergewisserung und Informationsbörse zugleich. "Etwa 30 Leute kommen jeden Morgen zum Gottesdienst - so viele wie sonst nicht mal zur Sonntagsmesse", sagt van der Velden. Insgesamt 10.000 bis 12.000 Deutschsprachige landesweit führe die katholische Gemeinde auf ihren Listen. Mit ihren Veranstaltungsangeboten erreiche man "einen Dunstkreis von etwa 400 bis 500 Personen".



Pfarrer Schroedel hat gerade erst einen Besuch am Flughafen abgestattet. "Aber ich habe da Anderes gesehen, als in manchen Medien berichtet wurde: keine herzergreifenden Szenen, kein Chaos.



Mut machen zum Bleiben

Natürlich war dort sehr viel los, aber das war doch alles sehr geordnet." Er telefoniere viel dieser Tage, sagt der Pfarrer. "Wir versuchen gerade jene zu ermutigen, für die sich die Frage einer Abreise gar nicht stellt - etwa die 80 bis 90 deutschen Frauen, die mit Ägyptern verheiratet sind und die auf jeden Fall bleiben."



Viele säßen allein mit ihren Gedanken zu Hause und schauten El Dschasira oder andere Kanäle. Aufgabe der Seelsorger sei es da einfach auch mal, Mut zu machen, schlicht zu fragen "Wie geht"s dir?", bei der Entscheidungsfindung zu helfen oder bei der Organisation der Abreise zu helfen.



"Die Ägypter sind keine Fundamentalisten"

Die warnenden Rufe etwa des Koptenpapstes Schenuda III. vor einer drohenden Machtübernahme der Muslimbrüder versucht der katholische Pfarrer zu differenzieren: "Die Führung der koptischen Christen hat schon immer mit den Machthabern in Ägypten gehalten, um so Schaden von ihrer Minderheit fernzuhalten." Auch Schroedel schätzt einen künftigen Stimmenanteil der Muslimbrüder nach einem Sturz Mubaraks hoch ein, auf etwa 30 Prozent. Aber er ist auch überzeugt: "Die Ägypter sind keine Fundamentalisten."



"Wenn Mubarak dem Volk mehr zu essen gegeben hätte, gäbe es auch keine Bedrohung durch Islamisten." Wenn die Bevölkerung spüre, dass eine neue Regierung der nationalen Einheit auf der Seite des Volkes stehe; wenn eine neue Führung die Enttäuschung über die Politik abstelle; wenn die Moscheen nicht mehr als Zahlstellen für die Armen fungierten, dann werde es auch keine Not zu religiösem Fundamentalismus mehr geben. Und bei den ersten freien Wahlen seit Jahrzehnten sicher eine höhere Wahlbeteiligung als die schwachen 20 Prozent zuletzt.



Seit 1995 lebt der Pfarrer nun im Herzen Kairos - "mitten unter den einfachen Leuten", wie er betont. Täglich spreche er mit dem Milchmann, dem Zeitungsverkäufer. Und er ist sich sicher: "Diesmal bleiben die Leute dran; die lassen sich nicht mehr abschütteln."