Ein Beitrag zur aktuellen Zölibatsdebatte

Odilo Lechner zu Zölibat, Kirchenkrise und 80. Geburtstag

Odilo Lechner leitete von 1964 bis 2003 die beiden traditionsreichen Klöster St. Bonifaz und Andechs. Zuletzt war er der dienstälteste Benediktinerabt weltweit. Im Interview mit domradio.de nimmt er kurz vor seinem 80. Geburtstag Stellung zur Zölibatsdebatte und spricht über die Aufgabe der Kirche in Zeiten der Krise.

 (DR)

domradio.de: Abt Odilo, Sie bringen sich ja immer noch in die aktuelle Diskussion mit ein, ich habe es gerade schon gesagt, zurzeit wird heftig über den Zölibat in der Kirche diskutiert. Wie ist da Ihre Meinung zum Thema? Ist der Zölibat nötig?
Lechner: Zunächst einmal: Wichtig ist ja die Ehelosigkeit um des Himmelsreiches Willen, also wie wir es als Ordensleute auch haben. Das ist ein wichtiges Zeichen, dass es etwas ganz Wichtiges gibt, wo man auf alles andere verzichten kann. Die andere Frage ist, ob jeder Priester, jeder Pfarrer in diesem Stand leben soll und muss. Es ist ja wichtig, dass alle Gemeinden Eucharistie feiern können, dass ein Vorsteher da ist. Und da ist es eben eine Frage der Überlegung, ob man jetzt bewährte Männer, die ein gutes Lebenszeugnis gegeben haben, nicht auch weiht, damit sie der Eucharistiefeier der Gemeinde vorstehen können.

domradio.de: Glauben Sie der Zölibat schreckt viele junge Männer davon ab, Priester zu werden?
Lechner: Wir haben ja in unseren deutschen Diözesen überall Pastoralreferenten, Leute, die Theologie studiert haben und die auch in der Seelsorge tätig sind. Sie könnten ohne weiteres zum Priester geweiht werden. Und es ist sicher auch gerade für sehr lebendige und vitale junge Menschen etwas, wo sie sich die Frage stellen: Kann ich die Ehelosigkeit ein Leben lang durchhalten?

domradio.de: Warum bricht diese Diskussion jetzt wieder so vehement auf?
Lechner: Sie ist ja schon länger da und muss sich immer wieder stellen, wenn die Verantwortlichkeiten dafür sorgen soll, dass die Gemeinden Priester haben. Dass sich gerade beim heutigen Priestermangel diese Frage neu stellt, ist naheliegend.

domradio.de: Wenn wir mal etwas allgemeiner werden: Wo sehen Sie überhaupt die Zukunft der Kirche? Derzeit ist ihr Bild in der Öffentlichkeit ja nicht so gut...
Lechner: Wir gehören zur Kirche, und es ist der Auftrag der Kirche, das Evangelium zu verkünden und Christus präsent zu halten. Diese Aufgabe bleibt. Die Kirchengeschichte zeigt, dass es schon viel schlimmere Zeiten für die Kirche gab. Und dass sie immer auch eine sündige Kirche war. Etwa wenn wir an die Gewaltanwendungen bei der Inquisition und anderen Anlässen denken. Die Kirche ist immer wieder dem Zeitgeist verfallen, hat etwa das mittelalterliche Feudalwesen ganz übernommen, eine Aufteilung in verschiedene Klassen der Menschen, hat nach weltlicher Herrschaft gestrebt. Das alles waren auch schlimme Dinge. Und es ist immer wieder notwendig, dass wir Buße tun, uns bekehren, dass wir offen sind für den eigentlichen Anruf des Herrn, wie er uns im Evangelium begegnet.

domradio.de: In diesem Jahr kommt der Papst nach Deutschland. Was erhoffen Sie sich von dem Besuch?
Lechner: Es ist wichtig, dass das Zeugnis, das der Papst geben kann, auch in Deutschland in einer mehr entkirchlichten Gegend wie Berlin gegeben wird. Vor seinem Besuch in England gab es ja auch sehr viele kritische Stimmen und Vorschläge, wie man ihn ablehnen kann. Und er hat dann doch überzeugt durch die demütige und bescheidene Haltung, aber auch der Bekundung der Wahrheit. Das wäre etwas, was auch für Deutschland wichtig ist.

domradio.de: Abt Odilo, Sie werden am Dienstag 80 Jahre alt. Was wünschen Sie sich zu Ihrem Geburtstag?
Lechner: Zunächst einmal wünsche ich mir, dass der Sehen Gottes weiter über mir und meinem Kloster bleibt, das wir die Aufgabe erfüllen, die uns gegeben ist unter dem Patronat des Heiligen Bonifatius. Dass das benediktinische Gotteslob, die benediktinische Lebenshaltung - die Suche nach dem rechten Maß - auch fruchtbar wird für die Gesellschaft von heute.
Das Gespräch führte Pia Deuß.

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