In einigen Bistümern verlassen mehr Katholiken ihre Kirche als 2009

Auch ein Jahr der Austritte

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche hat laut einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" eine neue Austrittswelle ausgelöst. Eine Umfrage des Blattes in mehreren Bistümern ergab eine deutliche Zunahme der Austrittszahlen im Vergleich zu 2009. Die offiziellen Zahlen liegen erst in einigen Monaten vor.

 (DR)

In den befragten Bistümern hätten die Kirchenaustritte vor allem in den Monaten März, April und Mai zugenommen, als sich das Ausmaß des Missbrauchsskandals gezeigt habe. Besonders hohe Steigerungsraten verzeichnen laut dem Bericht Diözesen Augsburg, Rottenburg-Stuttgart und Trier. In Augsburg, wo der bisherige Bischof Walter Mixa im Frühjahr sein Amt aufgab, seien bis Mitte Dezember 11.351 Katholiken aus der Kirche ausgetreten, im ganzen Jahr 2009 waren es nur 6.953. Im Bistum Rottenburg-Stuttgart traten bis Mitte November 17.169 Menschen aus der Kirche aus (2009) 10.619. Im Bistum Trier verließen bis Ende November 7.029 Katholiken ihre Kirche, im ganzen Jahr 2009 waren es 4.583.



Im Erzbistum Berlin, wo zu Jahresbeginn die ersten Missbrauchsfälle am Jesuiten-Gymnasium Canisius-Kolleg bekannt wurden, stieg die Zahl der Austritte demgegenüber nur leicht auf 4.800, 2009 waren es 4.700. Das Erzbistum Hamburg meldete bis Ende November 4.437 Austritte nach 3.689 im Vergleichszeitraum des Vorjahrs. Die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann, nannte die Entwicklung bei den Austrittszahlen "außerordentlich bedauerlich". Die Kirche müsse dringend an einer "neuen Vertrauenskultur" arbeiten und mehr Laien in die Verantwortung einbeziehen, sagte sie der Zeitung.



Höhere Eintrittszahlen bei Protestanten

In evangelischen Landeskirchen stiegen dagegen die Eintrittszahlen, und zwar besonders im mehr von Katholiken bevölkerten Süden: In Bayern traten laut "Süddeutscher Zeitung" bis November bereits mehr als 5.000 Menschen der lutherischen Landeskirche bei; in den Vorjahren pendelte die Zahl um 3.500. "So 200 dürften noch dazukommen", sagte Kirchen-Sprecher Johannes Minkus. Allein in der Wiedereintrittsstelle in München wurden 2010 bislang 66 Katholiken gezählt, die zum Protestantismus übertraten; im Vorjahr waren es 37.



In Baden wuchs die Eintrittszahl der evangelischen Landeskirche dem Bericht zufolge insgesamt um 20 Prozent. Oberkirchenrätin Karen Hinrichs nannte als Gründe sowohl die Popularität der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann als auch "das Bekanntwerden der vielen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche". In der Stuttgarter Eintrittstelle ging die Zahl der katholischen Übertritte von 19 (2009) auf 57 in diesem Jahr hoch. Der Trend dürfte auf die gesamte Landeskirche übertragbar sein, so ein Kirchensprecher. Leicht erhöhte Zunahmen gab es auch in der rheinischen und hannoverschen Landeskirchen.