Verbände klagen über Nachteile in Schulen und auf dem Arbeitsmarkt

Mehr Rechte für Behinderte

Anlässlich des heutigen Welttages der Menschen mit Behinderungen haben Gewerkschaften, Sozialverbände und die Opposition die Bundesregierung aufgefordert, mehr für die Rechte von behinderten Menschen zu tun.

 (DR)

Der Deutsche Behindertenrat, in dem sich Behindertenverbände und Selbsthilfeorganisationen zusammengeschlossen haben, verlangte am Donnerstag in Berlin eine zügige Öffnung des deutschen Schul- und Ausbildungssystems.



Nur 18 Prozent der behinderten Kinder und Jugendlichen gingen auf Regelschulen, kritisierte der Vorsitzende des Sprecherrats, Adolf Bauer. In keinem anderen europäischen Land würden so viele Kinder auf Sonderschulen verwiesen. In der Berufsausbildung hätten Behinderte praktisch keine Chance. Nicht einmal jeder Hundertste finde einen regulären Ausbildungsplatz. Bauer forderte private und öffentliche Arbeitgeber auf, eine Ausbildungsoffensive für Behinderte zu starten.



Der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärte, behinderte Menschen seien in diesem Jahr die Verlierer am Arbeitsmarkt. Während die allgemeine Arbeitslosigkeit 2010 gesunken sei, seien im November 5,6 Prozent mehr schwerbehinderte Menschen arbeitslos gewesen als im Vorjahresmonat, insgesamt rund 174.000, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Die schwarz-gelbe Koalition beschneide die Chancen der Behinderten weiter, indem sie massiv bei der Arbeitsvermittlung und -förderung kürze, kritisierte Buntenbach.



Der Sozialverband VdK und der Deutsche Behindertensportverband forderten mehr Anstrengungen für Barrierefreiheit. Bahnhöfe, Züge, Busse, Flughäfen und Sportstätten müssten auch für behinderte Menschen ohne Hilfe zugänglich sein. Hier komme man nur im Schneckentempo voran, kritisierten beide Verbände.



Die SPD, die Grünen und die Linke warfen der schwarz-gelben Koalition vor, die Lage von Behinderten verschlechtert statt verbessert zu haben. Die Gesundheits- und Pflegepolitik, die immer mehr private Zuzahlungen nötig mache, treffe besonders chronisch kranke und behinderte Menschen. In der Sozialhilfe würden mit der Hartz-IV-Reform die Regelsätze für behinderte Erwachsene in Gemeinschaftshaushalten auf 80 Prozent gekürzt, kritisierte die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Silvia Schmidt.



Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, teilte mit, dass ein Viertel der Beschwerden von Behinderten komme. Benachteiligungen aufgrund einer Behinderung nähmen damit einen traurigen Spitzenplatz in der Beratungsstatistik der Antidiskriminierungsstelle ein. So habe sich etwa ein Rollstuhlfahrer gemeldet, weil er ein Konzert nicht ohne Begleitperson besuchen durfte.



Alle Verbände forderten die Bundesregierung auf, die UN-Behindertenkonvention umzusetzen. Dies müsse auf allen staatlichen Ebenen geschehen, sagte der Sprecher für Behindertenpolitik der Grünen-Bundesstagsfraktion, Markus Kurth. Noch immer würden junge Behinderte gegen ihren Willen in Altenheimen untergebracht oder Kinder zum Besuch einer Sonderschule gezwungen.



Nach der UN-Behindertenkonvention, die in Deutschland im März 2009 in Kraft getreten ist, ist der Staat verpflichtet, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Behinderte ohne Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Dies gilt in besonderem Maß für das Bildungs- und Gesundheitswesen.