Südafrika-Pfarrer Hippler sieht nicht Beginn neuer katholischer Sexualmoral

"Gut - aber keine Sensation"

Stefan Hippler, Pfarrer aus dem Bistum Trier, engagiert sich seit Jahren in Südafrika im Bereich HIV/AIDS. Zu den Aussagen des Papstes zum Gebrauch von Kondomen sagt er im Interview mit domradio.de, "das ist gut und neu", sie erleichterten die Arbeit vor Ort. Der Beginn einer neuen katholischen Sexualmoral seien sie aber nicht.

 (DR)

domradio.de: Was der Papst über den Gebrauch von Kondomen gesagt hat - war das eine Sensation?

Hippler: Eigentlich nicht. Zuerst dachte ich, ich habe eine Sensation versäumt - habe dann aber den Text gelesen und gemerkt: Es ist eigentlich keine Sensation.



domradio.de: Warum nicht?

Hippler: Weil der Papst im Endeffekt sagt, was in moraltheologischen Kreisen und theologischen Kreisen insgesamt eigentlich schon längst Normalität ist. Neu ist, dass es der Papst gesagt hat. Das ist wirklich etwas, das neu ist und gut ist - dass zum ersten Mal eine Autorität das gesagt hat, was viele denken und die meisten, die in dem Bereich HIV/AIDS tätig sind, nicht nur aussprechen, sondern auch tun.



domradio.de: Sie selbst haben ja schon früher eine Lockerung der Sexualmoral der katholischen Kirche gefordert. Sehen Sie diese Forderung im Interview des Papstes auch verwirklicht?

Hippler: Nein, das ist nicht verwirklicht. Ich kann nicht sehen, dass sich eine Sexualmoral wirklich weiterentwickelt hat. Wer das ganze Buch gelesen hat oder noch lesen wird, wird merken, dass Benedikt "Humanae Vitae" und alles andere mit einem Ausrufezeichen versieht. Er denkt wirklich nur an einen Einzelfall. Und in dem Einzelfall hält er das für den Anfang der Moralität. Das ist mehr eine theologisch-philosophische Aussage. Rein praktisch gesehen, ändert sich an der Sexualmoral der Kirche gar nichts.



domradio.de: Was wäre für Sie hilfreich als in einem Entwicklungsland und in der Aidshilfe Tätiger?

Hippler: Es wäre hilfreich, Rückendeckung zu bekommen, um den Realitäten gerecht zu werden. Das heißt, dass die Sexualmoral, die sich in den letzten 500 Jahren ja nur wenig verändert hat, einfach auch sich auseinandersetzt mit dem, was wissenschaftlich in den letzten 100 Jahren passiert ist in diesem Bereich. Ich würde gerne sehen, dass Sexualmoral und Wissenschaft einfach zusammenkommen. Glaube und Wissenschaft gehören zusammen, sagt der Papst immer wieder. Beide müssen sich befruchten.



domradio.de: Wie wird Aussage des Papstes in den Ländern Afrikas aufgenommen?

Hippler: Es wird jetzt diskutiert, sehr intensiv. Aber: Aktivisten sagen, es ändert sich eigentlich nichts. Was wichtig ist, dass zum Beispiel eine Nonne, die im Bereich HIV/AIDS tätig ist und die durchaus Kondome verteilt, dass die jetzt plötzlich ein weniger schlechtes Gewissen hat. Weil Gewissensbisse gibt es ja doch bei vielen Ordensleuten, die sagen, eigentlich müssten wir uns ja an die Lehre der Kirche halten, aber wir sehen das Elend. Diese Spannung ist genommen durch die Aussagen des Papstes.



domradio.de: In einem anderen Interview sprachen sie von einem ersten feinen Haarriss in einer Betonmauer. Glauben Sie denn, dass diese Mauer jetzt irgendwann einmal ganz einstürzen wird?

Hippler: Ich lebe von der Hoffnung. Und ich würde mir wünschen, dass in meiner Lebzeit noch entscheidende Schritte in diese Richtung gehen; dass die Sexualmoral einfach angeglichen wird dem, was heute einfach auch an wissenschaftlichen Erkenntnissen vorliegt. Ob das so ist, weiß ich nicht. Aber die Hoffnung lässt uns leben.

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Das Gespräch führte Monika Weiß.