Düstere Bilanz für Pakistan

100 Tage nach der Flut

Rund 100 Tage nach Beginn der Flutkatastrophe in Pakistan ziehen Entwicklungsorganisationen eine düstere Bilanz der internationalen Hilfe. Obwohl das Hochwasser noch viel schlimmere Folgen hat als befürchtet, hat die Staatengemeinschaft nicht so umfangreich geholfen wie beim Tsunami oder beim Erdbeben in Haiti.

 (DR)

Bislang hätten die UN-Mitgliedsstaaten nur ein Drittel der zwei Milliarden Dollar zugesagt, die allein in den nächsten zwölf Monaten für weitere Nothilfe und Wiederaufbau notwendig wären, sagte die Direktorin von "Brot für die "Welt", Cornelia Füllkrug-Weitzel. Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, verwies auf internationale Schätzungen, wonach die Behebung der Flutschäden langfristig zwischen sechs und neun Milliarden Dollar kosteten.



Dem Bündnis "Bündnis Entwicklung Hilft" gehören die Hilfswerke "Brot für die Welt", medico international, Misereor, terre des hommes und die Deutsche Welthungerhilfe an.



Misstrauen der Spender

Die eigentliche Hilfe beginne erst jetzt, sagte Füllkrug-Weitzel. Von den Ende Juli/Anfang August einsetzenden Überschwemmungen waren in dem südasiatischen Land 21 Millionen Menschen betroffen. Sieben Millionen von ihnen wurden obdachlos. Knapp zwei Millionen Häuser seien zerstört sowie Straßen, Brunnen, Felder und soziale Einrichtungen verwüstet worden, hieß es. Noch immer stünden im Süden des Landes weite Landstriche bis zu 1,80 Meter unter Wasser.



In Deutschland kamen laut Füllkrug-Weitzel bislang 161 Millionen Euro Spenden für die Pakistan-Hilfe zusammen. Das sei nicht einmal die Hälfte der Summe von 350 Millionen Euro, die 2002 bundesweit für die 340.000 Opfer der Elbeflut gesammelt worden waren, kritisierte die Direktorin der evangelischen Hilfsorganisation. Als Grund für die Zurückhaltung nannte sie das latente Misstrauen gegenüber islamischen Ländern. Hinzu komme eine Instrumentalisierung der humanitären Hilfe sowohl durch die Taliban als auch durch die USA und ihre Verbündeten im "Krieg gegen den Terror". Hilfe dürfe aber nicht nach politischen, ethnischen oder religiösen Maßgaben geleistet werden, sondern "orientiert sich ausschließlich an der Not der Menschen", betonte Füllkrug-Weitzel. "Hier ist viel politischer Missbrauch betrieben worden."



Winter birgt hohes Risiko

Nach Angaben mehrerer Hilfsorganisationen sind nun Millionen Menschen in Pakistan durch den nahenden Winter bedroht. Nach Angaben von Caritas International stehen im südlichen Punjab und im Sindh immer noch ganze Gebiete unter Wasser. Während im Norden bereits den Wiederaufbau beginne, müsse im Süden des Landes nach wie vor akute Nothilfe geleistet werden, teilt die Hilfsorganisation in Freiburg mit. Die Menschen hätten neben den Folgen der Flut auch noch mit bewaffneten Konflikten zu kämpfen. Oliver Müller, Leiter von Caritas international, befürchtet zudem "langanhaltende Lebensmittelengpässe", weil das Land in großen Teilen noch nicht zu bewirtschaften sei. Das Hilfswerk unterstützt nach eigenen Angaben insbesondere die landlosen Bauern mit Saatgut und Dünger und versorgt mehr als 50.000 Familien mit Zelten, Nahrungsmitteln und Trinkwasser.



Das UN-Hilfswerk UNICEF sieht angesichts der drohenden Kälte im Norden vor allem die Kinder gefährdet. Sie seien durch schwere Mangelernährung, Atemwegserkrankungen und Malaria bedroht, teilte UNICEF in Köln mit. Vor allem die Versorgung der Menschen im Norden des Landes mit warmer Kleidung und Unterkünften vor dem Wintereinbruch sei notwendig. Das Hilfswerk befürchtet, dass bei sinkenden Spenden überlebenswichtige Hilfsmaßnahmen bis Ende des Jahres eingeschränkt oder gar gestoppt werden müssten.



Auch die Diakonie Katastrophenhilfe hat nach eigener Darstellung angefangen, winterfeste Zelten, Decken und Matratzen zu verteilen. Im stark von Überschwemmungen betroffenen Swattal in Nordwesten könnten die Temperaturen schon bald unter null Grad sinken, teilte das evangelische Hilfswerk in Stuttgart mit. Priorität habe deshalb die sichere Unterbringung der Opfer. Das Hilfswerk will nach eigenen Angaben in den betroffenen Regionen rund 1.000 Häuser bauen.



Nach Ansicht des Hilfswerks Care bleibt die akute Nothilfe in Pakistan derzeit die wichtigste Aufgabe. Noch immer lebten rund 7 Millionen Menschen in Zelten und behelfsmäßigen Unterkünften, sagt der Pressesprecher von Care Deutschland-Luxemburg, Thomas Schwarz, in Bonn. Vor allem die schlechten hygienischen Bedingungen und der hereinbrechende Winter machten den Menschen zu schaffen. "Wir müssen die Menschen noch stärker unterstützen, dass sie sich selbst helfen können", so Schwarz. Dafür seien dringend weitere Spenden aus den reichen Länder notwendig.