Präses Nikolaus Schneider im Porträt

Mannschaftsspieler mit sozialem Profil

Eine Überraschung ist nicht zu erwarten: Wenn die EKD-Synode den neuen Spitzenrepräsentanten der 25 Millionen Protestanten in Deutschland bestimmt, gilt die Wahl von Nikolaus Schneider als sicher. Offen scheint nur, wie viele Stimmen Schneider erhält.

Autor/in:
Ingo Lehnick
 (DR)

Schneider leitet die Amtsgeschäfte bereits seit dem Rücktritt von Margot Käßmann im Februar. Nach dem intellektuell brillierenden Bischof Wolfgang Huber und der charismatischen Bischöfin Käßmann tritt der Präses der rheinischen Landeskirche als EKD-Ratschef in große Fußstapfen. In den zentralen kirchlichen, ethischen und politischen Fragen setzt er überwiegend auf Kontinuität zu seinen Vorgängern, will aber einen eigenen Stil pflegen.



Schneider stammt aus einer Duisburger Stahlarbeiterfamilie

Viel Renommee und eine große Präsenz in den Medien hat sich Schneider in den vergangenen Jahren vor allem mit sozialpolitischen Äußerungen erarbeitet. Das Thema ist dem früheren Wirtschaftsstudenten, der aus einer Duisburger Stahlarbeiterfamilie stammt und von der 68er-Bewegung geprägt wurde, wie auf den Leib geschnitten. Bis heute treibt den früheren Diakoniepfarrer die Sorge um, die sozial Schwächeren könnten unter die Räder kommen.



"Vorposten Gottes in der Welt und nahe bei den Menschen" muss die Kirche nach Schneiders Worten sein. Diese Botschaft vermittelt der bodenständige, teamorientierte Theologe glaubwürdig und ohne akademisches Gehabe. Er spricht so, dass ihn die Menschen verstehen.



Ein Mannschaftsspieler

In vielen Leitungsämtern erwies sich Schneider zudem stets als Mannschaftsspieler, dem es scheinbar mühelos gelingt, seine Gesprächspartner für sich einzunehmen. Das könnte ihm auch bei dem Ziel helfen, kircheninterne Reformen an der Basis besser zu vermitteln.



Bei aller zwischenmenschlichen Herzlichkeit formuliert der erfahrene Theologe in der Sache gerne scharf und zugespitzt. So beklagt er offen ein "Schneckentempo" bei der Ökumene, warnt - bei allem Respekt für Muslime - vor einer "imperialen" Architektur beim Bau der künftigen Kölner Großmoschee, geißelt eine "egoistische Abzockermentalität" unter Managern und sieht in der Finanzkrise auch eine Folge von kapitalistischem Größenwahn. Zum Umgang der evangelischen Kirche mit Missbrauch lautet seine klare Linie: "Null Toleranz, klare Opferorientierung, jeder Fall wird angezeigt."



"Klare Worte zur rechten Zeit"

Mit dem Plädoyer für ein neues Sozialwort der beiden großen Kirchen bleibt der fußballbegeisterte Theologe seiner linksliberalen Haltung treu. Schon als Pfarrer und Superintendent in Duisburg und Moers stand Schneider für eine sozial engagierte Kirche, die sich von der "Leidenschaft Gottes für die Schwachen" leiten lässt, und demonstrierte mit den Bergleuten und Stahlkochern für den Erhalt ihrer Zechen und Werke. Für sein soziales Engagement und "klare Worte zur rechten Zeit" erhielt er die Hans-Böckler-Medaille des DGB und 2009 den Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen.



Geboren wurde Schneider am 3. September 1947 in Duisburg. Nach dem Theologie-Studium in Wuppertal, Göttingen und Münster wurde er 1976 Gemeindepfarrer in Duisburg-Rheinhausen, später Diakoniepfarrer und Superintendent im Kirchenkreis Moers. Er wechselte 1997 ins Düsseldorfer Landeskirchenamt und wurde 2003 als Nachfolger von Manfred Kock zum Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland gewählt - mit 2,8 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte EKD-Gliedkirche. Seine Amtszeit dort endet 2013.



Der zweite Rheinländer im Amt des Ratsvorsitzenden

Dem Rat der EKD gehört Schneider ebenfalls seit sieben Jahren an. Mit mehr als 96 Prozent der Stimmen wurde er vor einem Jahr zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden gewählt - ein Indiz für seine Beliebtheit. Seine Spitzenämter als Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Entwicklungsdienstes (seit 2005) und Vorsitzender des Diakonischen Rates der EKD (seit 2009) gab er ab, nachdem er im Februar den Ratsvorsitz übernahm. Schneider ist nach Kock der zweite Rheinländer im Amt des Ratsvorsitzenden.



Einen schweren Schlag mussten Schneider und seine Frau Anne vor knapp sechs Jahren verkraften, als die jüngste der drei Töchter im Alter von 22 Jahren an Leukämie starb. Aus dieser persönlichen Erfahrung erwuchs ein christliches Glaubenszeugnis in Form eines Buches zum Thema Leid. In den kommenden fünf Jahren wird Schneider nun wohl nicht nur bei diesem Thema Gesicht und Stimme des deutschen Protestantismus sein.