Barbara Lochbihler will nach Anfrage Griechenlands Frontex-Reform

"Hier muss unbedingt gehandelt werden"

Griechenland wird dem wachsenden Andrang von Flüchtlingen nicht mehr Herr, nun soll Brüssel helfen. Doch wie? „Menschenrechtskonform“, fordert Barbara Lochbihler. Im Interview mit domradio.de spricht die EU-Parlamentarierin deshalb nun über die Reform der Grenzschutzorganisation Frontex.

 (DR)

domradio.de: Die Situation in Griechenland wird scharf kritisiert. Wie müssen wir uns das vorstellen? Was geschieht dort mit den Flüchtlingen?

Lochbihler: Die anderen Übergänge zum Mittelmeer sind so gut wie geschlossen worden. Die Flüchtlinge suchen sich jetzt andere Wege, sie kommen an die türkisch-griechische Grenze, teilweise auf dem Landweg, teilweise sind sie geflogen. Und hier ist nun ihre ganze Hoffnung: über diese Grenze zu kommen. Und wenn man hier nicht drüber kommt, wird man - ohne über seine Rechte belehrt zu werden - wieder in die Türkei zurückgeschoben. Hier kümmert sich auch niemand - um Menschen, die verzweifelt sind. Um Erwachsene, die auf keinen Fall zurückgehen können. Sie haben viel durchgemacht und versuchen, in die EU zu kommen. Und es kann nicht sein, dass man die Menschen wie einen Spielball hin und her treibt. Hier muss unbedingt gehandelt werden.



domradio.de: Die griechische Regierung hat schnelle Eingreifteams der EU-Grenzschutzagentur Frontex angefordert. Was ist das für eine Agentur?

Lochbihler: Einige EU-Mitgliedsstaaten haben Frontex gegründet. Frontex soll die EU-Außengrenzen sichern, da ist es in der Vergangenheit zu großen Protesten gekommen, auch von Menschenrechtsorganisationen, die gesagt haben: Frontex sichert nur die Grenzen, sie schaut nicht, was mit den Menschen passiert - das sind sehr ungute Zustände. Mit der Folge, dass jetzt die Europäische Kommission die Arbeit von Frontex fortschreiben will. Sie haben einen Vorschlag gemacht. Und zum ersten Mal haben sie auch gesagt, dass Frontex die Arbeit auch menschenrechtskonform tun muss. Und dass es hier zu mehr Transparenz kommt, darum bemüht sich das Parlament zurzeit. Denn wenn Frontex jetzt Griechenland jetzt helfen würde, die Grenze undurchlässiger zu machen, heißt das ja noch nicht, dass Flüchtlinge, die Schutz brauchen, Schutz bekommen. Oder einen Rechtsanspruch haben, zum Beispiel auf politisches Asyl.



domradio.de: Sie sind also gegen den Eingriff dieser Grenzschutzagentur?

Lochbihler: So kann ich das nicht sagen. Jeder Nationalstaat kann Frontex zur Unterstützung der Grenzsicherung anrufen. Das ist erst mal noch nicht verboten. Aber Frontex muss so transparent arbeiten - zusammen mit den nationalen Grenzschutzeinrichtungen -, dass wir wissen, dass hier Menschen nicht zu Schaden kommen. Im Gegenteil: dass man schaut, auch bei versuchten illegalen Grenzübertritten, ob die Menschen ein berechtigtes Anliegen haben, nach Europa zu kommen.



Das Gespräch führte Monika Weiß, hören Sie es hier in voller Länge nach.



Zur Person: Barbara Elisabeth Lochbihler war von 1999 bis 2009 Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Bei der Europawahl 2009 wurde sie ins Europäische Parlament gewählt.