Bundespräsident besucht ökumenischen Gottesdienst in Tarsus

Fester Glaube und ein wenig Zuversicht

Bei seinem Türkeibesuch nahm Bundespräsident Christian Wulff am Donnerstag an einem ökumenischen Pilgergottesdienst in der Pauluskirche in Tarsus teil. Vor dem Gottesdienst traf der Bundespräsident mit Vertretern der deutschen Gemeinden sowie mit den Oberhäuptern der Kirchen in der Türkei zu einem Gespräch zusammen. "Ein unvergesslicher Tag", sagte Christian Wulff im Anschluss.

Autor/in:
Bettina Dittenberger
 (DR)

Die ganze Vielfalt und Tradition des Christentums in der Türkei bekam der Bundespräsident bei seinem Besuch in Tarsus zu sehen - und zu hören: Auf Aramäisch betete ein syrisch-orthodoxer Bischof das Vaterunser, ein armenischer Bischof sprach den Segen, die Lesung trug ein Geistlicher der griechisch-orthodoxen Kirche auf Arabisch vor. Wie tief verwurzelt und lebendig die Christenheit in Anatolien ist, wurde bei dem ökumenischen Gottesdienst deutlich, dem Wulff am Donnerstag in der Pauluskirche von Tarsus beiwohnte.



Sichtbar waren freilich auch die Schwierigkeiten, mit denen die Christen in der Türkei zu kämpfen haben. Die Pauluskirche in der Geburtsstadt des Apostels wird offiziell als Kulturdenkmal geführt und darf nur mit staatlicher Sondergenehmigung - wie für den Bundespräsidenten - für Gottesdienste genutzt werden. So drastisch geschrumpft ist die Zahl der Christen im Lande, dass es wie vielerorts auch in Tarsus längst keine christliche Gemeinde mehr gibt. Nur drei italienische Schwestern vom Orden der "Töchter der Kirche" wachen hier über das Erbe des Apostels - "damit das Licht nicht ganz erlöscht in Tarsus", wie der Orden erklärt.

Wulff nahm sich nach dem Gottesdienst die Zeit, die Ordensschwestern zu begrüßen und ihnen für ihre Arbeit zu danken. Aufgeregt trippelten die alten Damen mit Blumensträußen umher, um die Kirche in ihrem besten Licht zu zeigen. Schon im vergangenen Jahr, dem Paulusjahr, hatten hier Gottesdienste stattgefunden.



Nun will die türkische Regierung die Pauluskirche dauerhaft freigeben. Statt Sondergenehmigungen aus Ankara beschaffen zu müssen, sollen christliche Gemeinden und Gruppen sich nur noch bei den örtlichen Behörden anmelden müssen. Eine entsprechende Verordnung, die auch für 15 weitere historische Kirchen im Land gelten soll, wird derzeit zwischen den Ministerien abgestimmt.



Solcherlei Signale hat Wulff bei seinen Gesprächen in Ankara noch mehr zu hören bekommen - und zeigte sich entsprechend optimistisch, was seine Forderung nach mehr Religionsfreiheit für die Christen angeht. Diese hatte er bereits zu Beginn seines Staatsbesuchs angemahnt. "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei", sagte Wulff in einer Rede vor dem türkischen Parlament am Dienstag - und erhielt dafür viel Lob, unter anderem von der Deutschen Bischofskonferenz. Der Bundespräsident habe "eine Wegmarke für das friedliche Zusammenleben der Religionen" gesetzt, sagte der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch.



In Tarsus sagte Wulff nun, die Türkei sei bei der Stärkung der Religionsfreiheit der Christen "in der richtigen Richtung unterwegs", wenn auch noch nicht am Ziel. Er sei erfreut, dass er für den Wunsch nach mehr Rechten und Freiheiten für die Christen "immer mehr Verständnis" finde bei seinen türkischen Gesprächspartnern.



Ausdrücklich sprach Wulff das Problem des orthodoxen Priesterseminars Chalki bei Istanbul an, das seit fast 40 Jahren geschlossen ist. Möglicherweise hatte er auch dazu in Ankara einen positiven Wink bekommen - am Patriarchat von Konstantinopel ist man derzeit jedenfalls so optimistisch wie schon lange nicht mehr.

Persönlich können Patriarch Bartholomaios I. und Bundespräsident Wulff das Thema an diesem Freitag erörtern, bei einer Begegnung in Istanbul. Weiter stehen ein Besuch in der "Blauen Moschee" auf dem Programm des Bundespräsidenten und die Besichtigung der Hagia Sophia

- einem der berühmtesten Gebäude der christlichen und islamischen Religionsgeschichte.