Auch deutsche Roma-Politik erntet Kritik

Endstation Müllkippe

Nicht nur Frankreich - auch in Deutschland ist der Umgang mit Roma verbesserungswürdig, darauf weisen die Vereinten Nationen hin. Die anhaltende Rückführung der Roma in das Kosovo habe laut UN verheerende Folgen für die Rechte der Kinder. Ihnen droht ein Leben in Armut, ja teilweise sogar ein Leben auf der Müllkippe, meint P. Martin Stark (Jesuiten Flüchtlingsdienst).

 (DR)

Domradio.de: Ist der Druck auf die französische Regierung bezüglich der Abschiebungen berechtigt?

P. Martin Stark: Ich gebe Frau Reding Recht, da ist wahrscheinlich die EU-Freizügigkeit verletzt. Man muss Personengruppen unterscheiden. Die Roma, um die es in Frankreich geht, das sind Roma aus Bulgarien und Rumänien. Sie genießen EU-Freizügigkeitsrechte, das heißt, sie können sich in Europa frei bewegen und wenn diese Freizügigkeit eingeschränkt werden soll, dann müssen sie jeweils im Einzelfall angehört werden, ihre konkreten Umstände berücksichtigt werden. Die Roma, mit denen wir es hier in Deutschland zu tun haben, das sind Roma, die aus dem früheren Jugoslawien zu uns gekommen sind. Das ist ja eine andere Situation. Da soll in den Kosovo zurückgeführt werden. Oftmals leben sie seit langen Jahren hier bei uns, sind aber nur geduldet.   --
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Domradio.de: Wogegen richtet sich die Kritik an der deutschen Politik im Umgang mit Roma?

P. Martin Stark:  Die Kritik ist eben dahin gehend, dass die Leute lange Jahre hier in Deutschland gelebt haben und sich hier integriert haben. Es sind Familien betroffen mit vielen Kindern, die hier zur Schule gehen, die aber, wenn sie abgeschoben würden, in den Kosovo oder nach Serbien, dort keine Möglichkeit haben, Fuß zu fassen. Sie haben dort als Roma-Minderheit eine schwierige Lebenssituation, leben dort teilweise auf Müllkippen, haben keine Unterkunft und auch keine Möglichkeit zur Schule zu gehen. Bei diesen Rückführungen sind ungefähr 10.000 aus Deutschland, die da in Frage kommen. Bisher ist dort zurückhaltend abgeschoben worden. In diesem Jahr sind, glaube ich, etwa 100 abgeschoben worden. Aber vielen droht noch die Abschiebung und da ist meiner Ansicht nach auch die Kritik berechtigt, zu sagen, das muss human gestaltet werden. Da muss jeder Einzelfall geprüft werden, ob nicht hier aus humanitären Gründen, doch ein Aufenthaltsrecht erteilt werden kann.



Domradio.de: Was bedeutet es denn für Roma, wenn sie wieder abgeschoben werden? Gerade auch für Kinder?

P. Martin Stark:  Ich habe ganz konkret eine Familie vor Augen. Sie hat mir sehr glaubhaft geschildert, wie dort ihre Lebensumstände sein werden, wenn sie dorthin zurückgehen. Sie haben eben kein Dach über dem Kopf. Sie haben keine Bleibe und müssen dort eben in notdürftigen Unterkünften, teilweise auf Müllkippen unterkommen und das sind katastrophale Zustände. Hier haben sie ihr Lebensumfeld, hier gehen die Kinder schon zur Schule und, ich finde, hier haben sie sich dann insofern integriert. Nur hier haben die Kinder eine Zukunft - dort eben nicht.



Domradio.de: Was wäre denn eine gangbare Art wie Frankreich und aber auch Deutschland mit Roma umgehen sollten?

P. Martin Stark:  Frankreich müsste besser jeden einzelnen Fall prüfen. Frankreich verfolgt ja diese Abschiebung im großen Umfang, wer einfach nur Angehöriger dieser Minderheit ist, bekommt eben einen Ausweisungsbescheid und die Situation wird nicht genau geprüft. Hier in Deutschland ist es notwendig für diese Personengruppe oder langjährige Geduldete, die eben in dieser Situation sind, eine großzügige Bleiberechtsregelung noch zu machen. Wer beispielsweise fünf Jahre hier lebt, geduldet ist und bestimmte Kriterien erfüllt, der sollte hier ein Aufenthaltsrecht bekommen.