Kirchenjournalist Röser zur Zukunft katholischer Zeitschriften

«Hebammen der Meinungsbildung»

Die traditionsreiche katholische Wochenzeitung «Rheinischer Merkur» steht vor dem Aus und erscheint künftig nur noch in reduzierter Form als Beilage der «Zeit». Der Chefredakteur der Wochenzeitschrift «Christ in der Gegenwart», Johannes Röser, beschreibt im Interview die Folgen für die katholische Medienlandschaft.

Wird fehlen: "Rheinischer Merkur" (DR)
Wird fehlen: "Rheinischer Merkur" / ( DR )

KNA: Herr Röser, sinkende Auflage und Rote Zahlen bedeuteten das Aus für den "Rheinischen Merkur". Gibt es keinen Markt mehr für katholische Zeitungen?

Johannes Röser: Da bricht ein Medium weg, das für einen wichtigen Teil der katholischen Landschaft in Deutschland steht: konservativ in politischen und gesellschaftlichen Fragen, liberaler in kulturellen. So ein Medium ist auch dann wichtig, wenn man nicht alle Positionen teilt, einfach um sich daran zu reiben und um in den Debatten weiterzukommen. Der "Rheinische Merkur" wird fehlen.



KNA: Ihre Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" kann sich am Markt behaupten. Was finden Leser Ihrer und anderer katholischer Zeitschriften, was nicht auch etwa in der "Zeit" oder in der "Fankfurter Allgemeinen Zeitung" steht?

Röser: Es geht nicht um bestimmte Themen oder Standpunkte, sondern um die dahinter stehende christlich geprägte Haltung, mit der man an Fragen herangeht. Sei es die Biopolitik, die Migrationsproblematik oder die Generationengerechtigkeit. Die Stärke einer Zeitschrift mit religiöser Orientierung ist, immer neu und aktuell die religiöse Frage, die nach Gott und die nach Sinn und Ziel des Lebens zu stellen und in die Gesellschaft einzubringen. Wir wollen Geschmack machen für die Frage nach Gott und einladen, etwas von der wärmenden Kraft des Glaubens zu entdecken. Das suchen viele Leser.



KNA: Kann eine katholische Zeitschrift bei gesellschaftspolitischen Debatten - wie Atomkraft, Gesundheit oder Hartz-Reform - im Konzert der Meinungsmacher mitspielen?

Röser: Wir werden sicher nicht unendlich oft von anderen Zeitungen zitiert, und wir verstehen uns auch nicht so sehr als Meinungsführer für gesellschaftliche Fragen. Aber wir sind innerhalb des katholischen Spektrums ein Meinungsführer für eine reformoffene Richtung. Es wird schon zur Kenntnis genommen, was wir schreiben. Wir reagieren als gute Journalisten auf Entwicklungen und können Hebammen für Fragestellungen und Überlegungen sein - die eigene Meinung muss jeder Leser schon selbst gebären.



KNA: Wie unabhängig ist Ihre Redaktion - etwa von Vorgaben des Lehramts, kirchenpolitischen Einflussnahmen der Bischöfe oder von Direktiven des Verlegers?

Röser: Wir sind völlig unabhängig. Wir werden nicht subventioniert und machen ordentlich Gewinn. Unsere verkaufte Auflage ist stabil bei rund 30.000, Tendenz derzeit leicht steigend. Auch unser Verleger redet uns nicht hinein.



KNA: Welche Themen und Debatten sind derzeit Schwerpunkte?

Röser: Einerseits kirchliche Reformfragen: Wie geht es vor dem Hintergrund von Priestermangel und Vertrauenskrise wegen des Missbrauchsskandals in den immer größer werdenden Gemeinden weiter? In welche Richtung führt die päpstliche Entscheidung einer Quasi-Rehabilitierung traditionalistischer Bischöfe, die das Zweite Vatikanische Konzil ablehnen? Viele Leserreaktionen gibt es auch bei Artikeln zur Integrationspolitik oder zu Biomedizin oder Hirnforschung. Man spürt die Unruhe, wohin die modernen Erkenntnisse der Naturwissenschaften führen können.



KNA: Sind katholische Zeitschriften nur etwas für die Generation 60 plus?

Röser: Nein. Natürlich liegt unser Leserdurchschnitt - wie übrigens auch bei anderen Zeitungen und Zeitschriften - nicht bei 20, aber es gelingt uns seit Jahren immer wieder, neue Leser - sagen wir ab 40 Jahren - zu gewinnen. Wir merken auch, dass der Wunsch nach Online-Kommunikation größer wird. Dem versuchen wir mit einem Ausbau unserer Internetseite und Facebook-Experimenten zu begegnen. Auch viele junge Leute aus Sozialen Netzwerken fragen nach Gott.