Guttenberg will Wehrdienst aussetzen und Bundeswehr um ein Drittel verkleinern

Freiwillige marsch!

Die Bundeswehr marschiert in Richtung Freiwilligenarmee. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg kündigte an, die Wehrpflicht ab kommenden Jahr aussetzen und die Bundeswehr auf 163 500 Mann verkleinern zu wollen. Vorgesehen sind nach seinen Plänen 156 000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 7500 Freiwillige.

 (DR)

Guttenberg will mit seinen Reformplänen erreichen, dass künftig junge Leute nicht mehr gegen ihren Willen eingezogen werden. Die Freiwilligen sollen zwischen 12 und 23 Monaten dienen können. Ähnlich soll der dem Wehrdienst folgende Zivildienst umgebaut werden. Beim freiwilligen Zivildienst soll die Untergrenze bei sechs Monaten liegen, die Regelzeit ein Jahr betragen.

«Mir ist es außerordentlich wichtig, dass wir die Wehrpflicht im Grundgesetz behalten», sagte Guttenberg und betonte: «Ich wundere mich immer wieder über den einen oder anderen Schlaumeier, der weiß, wie in 20 oder 30 Jahren die Welt aussieht. Ich weiß es nämlich nicht und glaube daher, dass wir die Möglichkeit brauchen, künftig auch junge Menschen zu ziehen, wenn es denn notwendig sein sollte.» Das neue Freiwilligenmodell solle dem Prinzip gerecht werden: «Tu was für Dein Land!»

Zweifel an den Zahlen
Der Deutsche Bundeswehrverband meldete umgehend Zweifel an den Zahlen Guttenbergs an. Zur Erfüllung der Aufträge und zur ausreichenden Nachwuchsgewinnung benötigten die Streitkräfte «mindestens die doppelte Anzahl von Männern, die freiwilligen Wehrdienst leisten», sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. Daraus folge auch ein erhöhter Aufwand für die Ausbildungsorganisation mit einem zusätzlichen Anteil an Zeit- und Berufssoldaten.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will indes einen freiwilligen Zivildienst einführen. Bei einer bloßen Aussetzung der Wehrpflicht müsse die Möglichkeit erhalten bleiben, den Zivildienst als Wehrersatzdienst wieder aktivieren zu können, sagte sie. Nach ihren Vorstellungen sollte die Regeldauer ein Jahr, die Mindestdauer sechs und die Höchstdauer 18 Monate betragen, in Ausnahmefällen wären 24 Monate möglich.

Westerwelle zufrieden
Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Marschrichtung. Die Aussetzung des Zwangsdienstes an der Waffe sei «die richtige Antwort auf mangelnde Wehrgerechtigkeit», sagte er. Wenn nur noch 16 Prozent der jungen Männer Dienst bei der Bundeswehr leisteten, sei dies nicht akzeptabel. Die Aussetzung der Wehrpflicht sei nicht aus Kosten-, sondern vor allem aus Gerechtigkeitsgründen geboten, betonte Westerwelle.

Die SPD zeigte sich durchaus offen für die Guttenberg-Reform. Parteichef Sigmar Gabriel sagte, seine Partei wolle, dass junge Menschen freiwillig zur Bundeswehr gehen und dort einen Wehrdienst auch von zwölf Monaten ableisten könnten. Die gegenwärtige Variante mit einem Grundwehrdienst von nur noch sechs Monaten berge die Gefahr, dass die Bundeswehr zu einer «Praktikantenarmee» verkomme.

Grüne irritiert
Die Grünen äußerten sich verschnupft. Die Kanzlerin habe mitgeteilt, dass sie «die Entscheidung über die Wehrpflicht erst nach intensiver Debatte treffen» wolle, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. «Ich frage mich, wo war die Kanzlerin in den vergangenen zehn Jahren.» Klar sei, dass es einen Abschied von der allgemeinen Wehrpflicht geben müsse. Das jetzt diskutierte Modell des freiwilligen Dienstes mit einem Belassen der Wehrpflicht nur in der Verfassung sei eine «halbherzige Lösung».

Die Linkspartei forderte die Bundesregierung ebenfalls auf, die Wehrpflicht ersatzlos zu streichen, zudem aber alle Auslandseinsätze zu beenden und sich wieder auf den Verfassungsauftrag der Landesverteidigung zu besinnen. «Die Wehrpflicht anzugehen ist längst überfällig. Aber erst die Abschaffung wäre konsequent», sagte Fraktionsvize Jan van Aken. Denn die jetzigen Pläne würden bis zum Jahr 2014 nur 1,5 Milliarden Euro im Verteidigungsetat einsparen.

Guttenberg: Kleiner und besser
Regierungssprecher Steffen Seibert stellte derweil klar, dass das Verteidigungsministerium gut acht Milliarden Euro in den kommenden Jahren einsparen muss. «Dieser Beitrag wird erbracht», sagte er. Doch sei ebenfalls klar, dass die Frage der Bundeswehrreform «sicherheitspolitisch gedacht» werde. «Finanzielle Auswirkungen stehen nicht am Anfang der Überlegungen.» Guttenberg selbst versicherte: «Die Bundeswehr wird kleiner werden, sie wird aber auch besser.»

Nach Angaben der Bundesregierung wird die Bundeswehrreform ein «längerer Prozess» sein und erst im Herbst entschieden. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kündigte an, die Präsidien von CDU und CSU würden am 26./27. September auf einer gemeinsamen Sitzung eine Entscheidung zu Guttenbergs Plänen herbeiführen. Eine abschließende Entscheidung über die Zukunft von Wehrpflicht und Zivildienst soll laut Familienministerin Schröder auf den Parteitagen von CDU und CSU im Oktober und November fallen.