Sozialverband hält wenig von geplanter Kommission gegen Altersarmut

"Probleme und Ursachen sind bekannt"

Die Pläne der Bundesregierung zu einer Kommission gegen Altersarmut stoßen auf Widerstand. Die Probleme seien nicht neu, Lösungen "schon lange auf dem Tisch", kritisiert der Sozialverband Deutschland. Im Interview mit domradio.de wirft SoVD-Präsident Adolf Bauer Berlin "ideologische Entscheidungen" vor.

 (DR)

domradio.de: Was halten sie von der Idee eine Kommission gegen Altersarmut einzusetzen?
Bauer: Der SoVD hält nicht viel von der Idee. Die Probleme, die diese Kommission aufarbeiten soll, nicht neu sind.

domradio.de: Welche Vorschläge müssten auf dem Papier stehen?
Bauer: Auf diesem Papier müssen die Hauptursachen für das Ansteigen von Altersarmut bekämpft werden. Ob das gelingt, ist doch zweifelhaft. Denn die Vorschläge für die Beseitigung, Bekämpfung und Verhinderung von Altersarmut sind alle auf dem Tisch. Viele Fachleute haben an diesem Thema gearbeitet. Diese Vorschläge sind bekannt, die Regierung brauchte sie nur aufzunehmen und umzusetzen.

domradio.de: Warum hat sie das nicht gemacht?
Bauer: Das sind zum Teil ideologische, zum Teil sind es arbeitsmarktpolitische Entscheidungen. Die zentralen Ursachen für die Altersarmut sind bekannt: die Absenkung des Rentenniveaus, eine politisch gewollte Entscheidung; die Langzeitarbeitslosigkeit, ein Problem, das uns seit Jahren beschäftigt; die Erwerbsbiographien sind nicht mehr geschlossen.

Das Gespräch führte Simone Bredel. Hören Sie es hier in voller Länge nach.

Hintergrund
Die Bundesregierung will Anfang 2011 eine Kommission gegen Altersarmut einsetzen. Hintergrund ist die wachsende Zahl gering bezahlter und wechselnder Beschäftigungsverhältnisse, die nach Meinung von Experten spätestens in zehn Jahren zu einem deutlichen Anstieg von Altersarmut führt.

Die Kommunen, die überwiegend für die Grundsicherung im Alter aufkommen, sehen eine Kostenlawine auf sich zurollen. "In den nächsten Jahren müssen wir mit einem weiteren dramatischen Kostenanstieg in Milliardenhöhe rechnen", warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus.

Sozialverband fordert Korrekturen an der Arbeitsmarktpolitik
Der Sozialverband Deutschland hatte bereits vor einer Woche die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung kritisiert und fordert rasche Korrekturen. "Selten hatte die Entwicklung am Arbeitsmarkt so starke Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme wie heute", sagte Verbandspräsident Adolf Bauer.

In einem Positionspapier legt der Verband Vorschläge zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit, zur Stärkung der Arbeitsagentur, zur Schaffung von existenzsichernder Arbeit und zur Gleichstellung von Frauen im Beruf vor und fordert eine bessere soziale Sicherung bei Arbeitslosigkeit und die Bekämpfung des Niedriglohnsektors.

Allein die Entwicklung im Bereich des Niedriglohnes und der prekären Beschäftigung habe zu "schwerwiegenden Verwerfungen" am Arbeitsmarkt geführt, sagte Bauer. Um den Niedriglohnsektor einzugrenzen, tritt der Verband neben der weiteren Einführung von Branchenmindestlöhnen auf tariflicher Basis unter anderem für einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn und Änderungen der Zumutbarkeitsregelungen bei "Hartz IV" ein. Notwendig sei eine "transparente, bedarfs- und realitätsgerechte Neubemessung der 'Hartz IV'-Regelsätze". Gutscheine für einzelne Bedarfe lehnt der Verband als "sozialpolitisches Instrument aus der Mottenkiste des letzten Jahrhunderts" ab.