Debatte um Sicherheitsverwahrung und Alternativen hält an

Internet-Pranger für Sexualstraftäter?

Die Kritik an den von der Deutschen Polizeigewerkschaft und CDU-Politikern vorgeschlagenen Veröffentlichung von Namen und Wohnort von entlassenen Straftätern dauert an. Die Idee sei "rein populistisch" und die Umsetzung verfassungswidrig. In der Diskussion sind weiterhin elektronische Fußfesseln und "neue Verwahranstalten".

 (DR)

Bei Ministern von Bund und Ländern stößt der Vorschlag eines Internet-Prangers auf Ablehnung. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Dienstag im ZDF-«Morgenmagazin», die Veröffentlichung persönlicher Daten von Schwerverbrechern sei kein gangbarer Weg. Dadurch würden allenfalls «Denunziation und Lynch-Justiz» erleichtert. Die Bevölkerung werde jedoch nicht besser geschützt.

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) erteilte dem Vorschlag ebenfalls eine klare Absage. «Diese absurde Idee spielt auf gefährliche Weise mit Ängsten und Sorgen der Menschen», sagte Kutschaty den Zeitungen des WAZ-Konzerns (Dienstagsausgaben). Damit würden «in letzter Konsequenz Menschenjagd und Lynchjustiz wie im Mittelalter Tür und Tor geöffnet». Auch Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) lehnt einen Internet-Pranger strikt ab.

Schaffung spezieller Einrichtungen

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat sich in der Diskussion um den Schutz der Bevölkerung vor entlassenen gefährlichen Sexualstraftätern für die Schaffung spezieller Einrichtungen ausgesprochen. Nötig seien «neue Verwahranstalten», in denen Wiedereingliederung und Therapie im Vordergrund stehen müssten, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg am Dienstagmorgen im WDR. Damit würden auch die Auflagen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erfüllt, der die bisherige nachträgliche Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig hält.

Entscheidend sei die inhaltliche Trennung von Strafvollzug und Sicherungsverwahrung, sagte Freiberg weiter. Räumlich müsste diese Unterbringung nicht von den Strafanstalten getrennt werden. Bundesweit betrifft eine solche Verwahrung nach Einschätzung des Polizeigewerkschafters 100 bis 200 Straftäter, von denen vermutlich weiterhin eine Gefahr ausgehe.

Die Veröffentlichung von Namen und Wohnort von entlassenen Straftätern lehnte Freiberg erneut als «rein populistisch» ab. Ein solcher «Internet-Pranger» sei keine Lösung des Problems und trage nicht zum Schutz der Bevölkerung bei. Außerdem sei er verfassungswidrig.

Elektronische Fußfesseln unzureichend
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verteidigte unterdessen seine Forderung, den Aufenthaltsort entlassener gefährlicher Straftäter auf den Internetseiten der Polizei zu nennen. Die Bevölkerung habe ein Anrecht darauf, zu erfahren, wenn solche Täter in ihrer nächsten Umgebung lebten, sagte Wendt im Deutschlandfunk.
Den von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) befürworteten Einsatz elektronischer Fußfesseln für entlassene Schwerbrecher hält Innenminister de Maizière für unzureichend. Die Fußfessel sei nützlich, könne die Bevölkerung aber nicht genügend schützen. Sie gebe nur Auskunft darüber, wo sich ein Entlassener aufhalte, nicht aber darüber, was er tue. Auch GdP-Chef Freiberg lehnte die Fußfessel als unbrauchbar ab.

Einrichtung mit Therapieangeboten
De Maizière und sein niedersächsischer Amtskollege Busemann warben für die von der Union ins Gespräch gebrachte neue Form der Sicherheitsunterbringung. Nötig sei «eine Einrichtung, die sich deutlich von der Strafhaft unterscheidet», sagte Busemann der «Neuen Presse» vom Dienstag. Dort müsse es Therapie- und Beschäftigungsangebote geben.

Hintergrund der Debatte ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Demnach verstößt die rückwirkende Verlängerung der nachträglich angeordneten Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechte. Etliche Schwerverbrecher in Deutschland müssen deshalb aus der Sicherungsverwahrung freigelassen werden. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums handelt es sich um mindestens 80 Gefangene. Über die geplante Reform der Sicherungsverwahrung wird seit Wochen in der schwarz-gelben Koalition gestritten.