Ordensschwester Pfau zu den Ursachen der Überschwemmungen in Pakistan

Schuld der Mafia

Die in Pakistan arbeitende deutsche Lepra-Ärztin Ruth Pfau hat Umweltsünden für das Ausmaß der Flutkatastrophe in dem Land mitverantwortlich gemacht. Vor allem die Mafia trage dazu bei, dass Pakistan eines der am meisten abgeholzten Länder der Erde sei, sagte die Ordensschwester am Montag in Bonn.

 (DR)

KNA: Frau Pfau, Sie sind in Pakistan vor Ort, wie stellt sich die Lage dort für Sie dar?
Pfau: Derzeit bin ich in Karachi, denn dort haben wir neben der Flut jede Menge andere Schwierigkeiten. In den vergangenen Tagen gab es mehr als 100 Morde. Sie hängen zwar nicht mit der Flut zusammen, vermutlich sind sie politisch motiviert. Aber es gibt kein Wasser, keinen Strom, die Menschen können nicht schlafen und sind sehr gestresst. Deshalb bin ich jetzt in Karachi. Aber unsere Teams sind im gesamten Land verteilt. Wir haben so viel zu tun, dass wir nicht wissen, was wir zuerst machen sollen.

KNA: Berichte in Deutschland sprechen von der schlimmsten Flut seit 80 Jahren. Wo sehen Sie die Ursachen?
Pfau: Was mich am meisten ärgert ist, dass wir selbst schuld sind an der Flut. Ich habe das über die letzten 20 Jahre mitverfolgt: Pakistan ist eines der Länder, in denen am meisten abgeholzt wird. Wir haben schon versucht dagegen vorzugehen, aber die dortige Mafia verdient sehr viel an dem Holz. So kann sich das Wasser natürlich ungehindert ausbreiten. Die Betroffenen sind dafür nicht verantwortlich, aber die Regierung müsste das ändern.

KNA: Was können Sie konkret für die Opfer tun?
Pfau: Soweit wir finanzielle Mittel haben, verteilen wir Lebensmittel. Wir sind beinahe Spezialisten in der Nothilfe. In vielen Regionen helfen Lebensmittel alleine aber nicht, es müssen Kochutensilien, Brennholz und auch Schlafplätze zur Verfügung gestellt werden. Das Gute ist, dass wir unsere eigenen Leute vor Ort haben, denn bei derartigen Katastrophen werden auch Verbindungswege abgeschnitten, so dass der Zugang zu den Betroffenen nicht oder nur kaum möglich ist. Unsere öffentlichen Lepraassistenten kaufen derzeit Waren auf dem Basar auf und verteilen sie, bevor das die Mafia tut, die die Güter dann für das Fünffache weiterverkauft. Insgesamt sind 840 Mitarbeiter von uns in Pakistan, überall dort, wo jemals Lepra aufgetaucht ist. Zugute kommt uns auch, dass wir zu 80 Prozent mobile Dienste haben, die sehr flexibel sind und dass wir uns über Mobiltelefone absprechen können.

KNA: Was, glauben Sie, wird in den kommenden Wochen auf Sie zukommen?
Pfau: Wir denken nicht an morgen, wir haben so viel zu tun. Aber es werden nach einiger Zeit Nichtregierungsorganisationen kommen, das wird in der Regel von pakistanischer Seite unterstützt. Aber die Rehabilitierung bleibt auf der Strecke. Wir fragen uns, wie wir die Menschen bis zur nächsten Ernte bringen, denn sobald die Katastrophe aus den Medien verschwindet, wird auch nicht mehr gespendet. Große Sorge machen uns neben der Flut die Aufständischen im Land. Solange die Überschwemmungen akut sind, ist dies noch kein Problem, da helfen alle zusammen, denn jeder ist betroffen. Das Problem mit den Aufständischen kommt erst später.

KNA: Kann diesem Problem vorgebeugt werden?
Pfau: Wichtig ist die Verteilung des Geldes, ob es geschmuggelt wird, oder ob es wirklich an die Bedürftigen verteilt wird. Denn das birgt ein großes Konfliktpotenzial. Auch in der Nothilfe achten wir sehr darauf, dass Hilfsgüter gerecht verteilt werden. Wir können nicht nur ein paar Familien aus einem Dorf helfen, wenn, dann helfen wir allen, sonst führt das zu Feindschaften.

KNA: Wie lange wird Pakistan benötigen, um sich von der Flut zu erholen?
Pfau: Wenn Sie zurückblicken, da gab es Erdbeben, Überschwemmungen oder eben auch Konflikte mit den Aufständischen innerhalb kürzester Zeit. Deshalb glaube ich, bevor die jetzigen Schäden beseitigt sind und das Land wieder hergestellt ist, wird bestimmt schon die nächste Katastrophe da sein. Wichtig ist jetzt, dass die Helfer, die von außen kommen, örtliche Organisationen fragen, was benötigt wird. Jetzt in der Akutsituation kann und soll man aber nicht planen, da brauchen wir schlichtweg Geld um zu helfen.