Auf einem Berliner Kirchhof warten alten Grabstätten auf neue Nutzer

Tote suchen Paten

Bekannt ist der 1856 angelegte Berliner Alte St. Matthäus-Kirchhof für die zahlreichen Persönlichkeiten, die hier beerdigt wurden. Und für seine prachtvollen Grabbauten wie das Mausoleum, das in den kommenden zwei Monaten besichtigt werden kann. Mit einer Ausstellung, die neue Nutzer werben will.

Autor/in:
Lukas Philippi
 (DR)

Das Rosa ist verblichen, Putz blättert von der Wand, Bretter auf dem Boden bewahren Besucher vor einem Fall in drei Meter Tiefe. In der Gruft liegen vermutlich noch die Überreste von Verstorbenen. Wer den Blick nach oben richtet, schaut in eine blau gestrichene Kuppel. Links und rechts hängen zwei kunstreiche Mobile mit Gedichten, Notenblättern und Zeichnungen von der Decke, offensichtlich jüngeren Datums.

"Dies ist ein eher kleines Mausoleum", sagt Friedhofsverwalter Lutz Mertens und deutet dabei auf die Büste desjenigen, für den die Grabstätte vor rund 140 Jahren einmal errichtet wurde: Constantin Heinrich von Gehring (1806-1869), Rittergutsbesitzer und Advokat. Jetzt soll der mit gelben Klinkersteinen umfasste Bau für neue Beerdigungen offen stehen - der Friedhof vergibt Grabpatenschaften. Normalerweise verwehrt ein schmiedeeisernes Gitter Besuchern den Zutritt zu dem rechteckigen Kuppelbau.

"Wir wollen auf den Schatz aufmerksam machen, der sich hier befindet", sagt Marion Fabian, die Kuratorin von "Kunstraum Mausoleum", einer Ausstellung mit Installationen in Mausoleen, die am Sonntag (1. August) eröffnet wird.

Neue Nutzer gesucht
Ein Spaziergang unter den alten Bäumen hindurch inmitten des dicht bebauten Stadtquartiers führt vorbei an Gräbern von preußischen Militärs und Geheimen Räten. Dazwischen liegen die Grabstätten etwa des Mediziners Rudolf Virchow (1821-1902), des Architekten Alfred Messel (1853-1909), des Komponisten Max Bruch (1838-1920) und der Sprachforscher und Märchensammler Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859). Neben den Grimms hat sich der Dramatiker Rolf Hochhuth eine Grabstätte reserviert. An seine 2004 gestorbene Frau Ursula erinnert ein von Nymphen getragener Jungbrunnen.

Für viele der herrschaftlichen Gräber sucht der Friedhof neue Nutzer - genauer gesagt: Paten, die die Renovierungskosten übernehmen und "Nutzungsrechte" für eigene Beerdigungen in den Grabanlagen erwerben. Denn anstatt nach Ablauf der Liegefrist die Grabmäler abzureißen, sollen sie erhalten werden. Über 130 Grabanlagen weist die Online-Datenbank der Friedhofsverwaltung aktuell aus: Neben elf Mausoleen sind 41 Garten- und zahlreiche Wandgräber im Angebot. Die anstehenden Kosten liegen je nach Instandsetzungsbedarf und Größe zwischen knapp 2.000 und über 50.000 Euro. Die öffentliche Denkmalpflege übernimmt im Einzelfall bis zur Hälfte der Kosten.

45 Patenschaften bislang vermittelt
Etwa 45 Patenschaften sind bislang vermittelt worden. Allein 30 in den vergangenen beiden Jahren. Ein Erfolg der 2008 angelegten Online-Datenbank, ist Friedhofsverwalter Mertens überzeugt. Die Idee, Grabstätten mit Hilfe von Paten für neue Nutzer zur Verfügung zu stellen, ist dabei nicht neu: Der Kölner Melatenfriedhof und der Olsdorfer Friedhof in Hamburg gehörten zu den ersten in Deutschland, die dies anboten. Auch auf manch anderem der 180 Friedhöfe in der Bundeshauptstadt sind Grabpatenschaften inzwischen möglich.

Den typischen Grabpaten gibt es nicht. "Er muss Interesse am Erhalt von Denkmälern haben und sich darstellen wollen", sagt Friedhofsverwalter Mertens. "Eben wie früher auch." Da ist zum Beispiel das herrschaftliche Mausoleum der Familie Richter. Es fasst oberirdisch neun Urnen und zwei Särge. Der "Pate", ein Ökonomie-Professor aus Mecklenburg-Vorpommern, will nicht mit Namen genannt werden; er sagt aber so viel: Die Grabstätte ist für "die weit über die Welt verstreute Familie" gedacht, sozusagen eine "Wiedervereinigung im Tode".

Das Baudenkmal erhielt unter anderem ein neues Dach, neue Fenster und eine Tür, umrahmt von zwei griechisch anmutenden Säulen und einem Kapitel. Kostenpunkt: 65.000 Euro. Andere Mausoleen sind noch größer - ähnlich einem Ferienbungalow -, und ihre Renovierung kostet entsprechend.

Wann die Restauratoren Hand an das spätklassizistische Mausoleum Gehrings legen, steht dagegen noch nicht fest. Die geschätzten Kosten liegen zwischen 20.000 und 50.000 Euro. Bis ein Pate gefunden ist, wird auch vor diesem Denkmal ein kleines, grünes ovales Blechschildchen darauf hinweisen: "Gehring sucht Paten".

Die Ausstellung "Kunstraum Mausoleum" kann donnerstags bis sonntags im Rahmen von "geführten Rundgängen" um 16 Uhr besichtigt werden. Vor dem Friedhofseingang gibt es zudem einen Infopavillon, der montags bis freitags von 13 bis 18 Uhr geöffnet ist.