Bischöfin Jepsen stolpert über einen Missbrauchsskandal

Die Tabu-Bischöfin

Mit einem Tabubruch hatte alles angefangen, mit einem Skandal endet die Ära Jepsen. Die Hamburger Bischöfin, die seit 1992 die Geschicke der lutherischen Kirche in der norddeutschen Millionenstadt leitete, ist zurückgetreten - zwei Jahre vor dem regulären Ablauf ihrer Amtszeit.

Autor/in:
Benjamin Lassiwe und Norbert Zonker
 (DR)

Wenige Monate nach dem Rücktritt der Hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann verliert die Evangelische Kirche in Deutschland damit die zweite prominente Spitzenfrau vorzeitig.

Maria Jepsen, weltweit erste evangelisch-lutherische Bischöfin, stolperte über einen Missbrauchsskandal: Schon 1999 soll sie nach Aussage der ehemaligen Pröbstin Heide Emse über die Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pastor aus Ahrensburg informiert gewesen sein. Dennoch unternahm sie nichts, als dieser Mann anschließend als Religionslehrer an ein Gymnasium und als Seelsorger in eine Jugendstrafanstalt versetzt wurde. Jepsen selbst hatte immer wieder betont, sie habe 1999 zwar von der Versetzung erfahren, aber nicht von der Ursache, da es auch keine weiteren kirchlichen Ermittlungen gegeben habe. "Ich wusste nur: Da gab es Schwierigkeiten", so Jepsen. Erst in diesem Frühjahr wurde der Fall im Zusammenhang mit der Missbrauchsdiskussion erneut aufgerollt.

Vorreiterin der Gleichstellung
In einer Kirche, die wie keine andere auf Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung von Männern, Frauen und homosexuellen Partnerschaften achtet, mussten diese Vorwürfe schwer wiegen. Zumal Jepsen selbst eine Vorreiterin der Gleichstellung war: Als sie zur Bischöfin von Hamburg gewählt und in ihr Amt eingeführt wurde, waren vor allem konservative Kreise über die Wahl der Pastorin entsetzt. Der Tübinger Missionswissenschaftler Peter Beyerhaus sprach von einer "geistlichen Katastrophe", der Vatikan von einem "Hemmschuh" für die Zusammenarbeit in der Ökumene, und fast 80 Pfarrer drohten damit, ihre Landeskirche zu verlassen.

Dass Frauen sonntags auf der Kanzel stehen dürfen, war auch für Protestanten damals noch nicht völlig selbstverständlich. Erst im Jahr zuvor, 1991, hatte die evangelisch-lutherische Landeskirche von Schaumburg-Lippe als letzte der 23 evangelischen Landeskirchen in Deutschland die Frauenordination eingeführt. In der römisch-katholischen Kirche ebenso wie in den orthodoxen Kirchen ist die Priesterweihe für Frauen verboten, während bei den Protestanten neben Jepsen und Käßmann noch die mittlerweile pensionierte Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter und die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann ins Bischofsamt gewählt wurden. Zudem wird in Deutschland auch die Evangelisch-methodistische Kirche von einer Frau, Bischöfin Rosemarie Wenner, geleitet.

Soziale Gerechtigkeit und Ökumene
Jepsen setzte sich als Bischöfin für Themen wie soziale Gerechtigkeit oder Ökumene ein. Gerade nach dem 11. September 2001 engagierte sie sich auch für den interreligiösen Dialog. Die oft in pink und rosa gekleidete feministische Theologin wandte sich in ihren Äußerungen gegen Glaubenssätze wie den von der Jungfrauengeburt Marias. Dahinter stehe eine "Abwertung der Sexualität", erklärte sie in einem Interview. Auch manch andere Äußerung Jepsens hatte im Laufe der Jahre für Aufmerksamkeit gesorgt: So schlug die Theologin einst vor, das Kreuz, das ursprünglich ein Hinrichtungsinstrument gewesen sei, als christliches Symbol durch die Krippe zu ersetzen.

Die Hamburger werden ihre zurückgetretene Bischöfin vermissen. Denn die weißhaarige Frau mit dem nordisch-kühlen Zungenschlag hat es geschafft, sich einen festen Platz im Herzen der Menschen in der Hansestadt zu erobern. Auch die Hamburger Katholiken hatten Jepsen noch zu Jahresbeginn zu ihrem 65. Geburtstag ihrer Wertschätzung versichert. Erzbischof Werner Thissen erklärte damals, er "schätze Bischöfin Maria Jepsen sehr wegen ihrer Offenheit im ökumenischen Gespräch, das wir miteinander pflegen". Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte, Jepsen habe dem evangelischen bischöflichen Dienst in Hamburg "unverwechselbares Profil gegeben: mutig, auch streitbar und nie abgehoben". Er wünsche ihr, dass sie allem Druck mit "Geschmeidigkeit und Humor" standhalten möge. Wie groß der Druck werden würde, konnte er damals nicht ahnen.