Kanzlerin strebt Modernisierungspartnerschaft mit Russland an

Viel Wirtschaft und ein bisschen Demokratie

Die diesjährigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen finden heute in Jekaterinburg statt. Bundeskanzlerin Merkel und Russlands Präsident Medwedew leiten die Delegationen. Merkel bot Russland umfassende Unterstützung bei seinem Kurs der Modernisierung der Wirtschaft an - und forderte eine Demokratisierung der Zivilgesellschaft.

Autor/in:
Stefan Uhlmann
 (DR)

Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint ein Faible für die russischen Zaren zu haben. Ihren Schreibtisch im Kanzleramt ziert ein Bild von Katharina der Großen, der Zarin, die im 18. Jahrhundert über 30 Jahre lang Russland regierte. 3000 Kilometer entfernt, in Jekaterinburg am Ural, besuchte Merkel am Donnerstag die «Kathedrale auf dem Blut». Das 2003 eröffnete Gotteshaus steht genau an jener Stelle, an der die letzte Zarenfamilie vor ziemlich genau 92 Jahren erschossen worden war.

Der eigentliche Grund für Merkels Reise galt jedoch nicht der Vergangenheit, sondern der Zukunft. Katharina die Große hat einst Russlands Staatsapparat modernisiert, Russlands Präsident Dmitri Medwedew strebt dies nun für die noch stark von Öl- und Gasexporten abhängige Wirtschaft des Landes an. Merkel strebt mit Russland eine Modernisierungspartnerschaft an. Fast das halbe Bundeskabinett hat Merkel zu den 12. Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen mit an den Ural genommen sowie Chefs von Unternehmen sie Siemens, Airbus, E.ON, BASF, Metro und Tengelmann.

Umfassende Unterstützung
Merkel bot Russland umfassende Unterstützung bei seinem Kurs der Modernisierung der Wirtschaft an. «Hier kann Deutschland sehr viele Beiträge leisten», sagte die Kanzlerin. Medwedew versicherte, die Modernisierung der Wirtschaft habe keine konjunkturellen Gründe. Der Hightech-Industrie und Infrastruktur solle neuer Schwung verliehen werden. Hier hätten deutsche Unternehmen immense Erfahrungen. Bei Moskau soll eine Art Silicon Valley entstehen, dass Russland technologisch voranbringen soll.

Merkel bezeichnete die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen als Erfolgsgeschichte. Zugleich mahnte sie aber eine größere Schnelligkeit bei Genehmigungsverfahren an. Auch warnte sie vor neuen Hemmnissen durch die neue Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan. Merkel sprach sich zudem für einen raschen Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO aus.

Ärger bei Visa-Fragen
Die deutsche Wirtschaft sieht zudem Visa-Fragen als Problem in den Wirtschaftsbeziehungen. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Klaus Mangold, bat Merkel und Medwedew eindringlich, für Erleichterungen bei Visa-Erteilungen zu sorgen. Die jetzigen Regeln kosteten Ärger und Geld. Merkel und Medwedew sagten zu, sich um Vereinfachungen zu bemühen.

Grundsätzlich wertete Mangold die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen aber als gut. Rund 6000 deutsche Unternehmen seien in Russland aktiv und auch in der Wirtschaftskrise geblieben. Der Modernisierungskurs Russlands werde von Deutschland uneingeschränkt unterstützt. Die deutschen Unternehmen glaubten, dass sie «etwas besser» seien als ihre Wettbewerber.

Russische Investitionen in Deutschland willkommen
Potenzial für neue Kooperationen sieht Mangold etwa in den Bereichen Energieeffizienz, Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt. Zugleich versicherte der deutsche Manager, dass russische Investitionen in Deutschland willkommen seien. Bedenken äußerte Mangold allerdings wie Merkel wegen der Zollunion Russlands mit Kasachstan und Weißrussland. Zugleich mahnte er einen raschen Beitritt Moskaus zur WTO an.

Merkel und Medwedew nahmen zugleich am Abschlussplenum des Dialogforums «Petersburger Dialog» statt. In acht Arbeitsgruppen hatten Vertreter aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Medien zwei Tage lang beraten. Das Forum war 2001 aus der Taufe gehoben worden. Zum Jubiläum zog der Vorsitzende des deutschen Lenkungsausschusses, Lothar de Maizière, ein positives Fazit: «Wir sind endgültig vom Sie zum Du übergegangen.»

Merkel fordert Aufklärung des Mordes an Estemirowa
Merkel sagte, es gebe einen engen Zusammenhang zwischen der Modernisierung der Wirtschaft und der Demokratisierung der Zivilgesellschaft. Zugleich begrüßte sie die Pläne für ein gemeinsames Jugendparlament und ein deutsch-russisches Geschichtsbuch. Dadurch könnten Vorurteile abgebaut werden. Die Kanzlerin mahnte zugleich eine Aufklärung des Mordes an der russischen Bürgerrechtlerin Natalja Estemirowa vor genau einem Jahr an. Für eine Zivilgesellschaft sei es wichtig, dass Menschen, die Rechte anderer Menschen beschneiden, einer gerechten Strafe zugeführt werden, sagte Merkel. Es sei wichtig, dass hier weiter an der Aufklärung gearbeitet werde. Merkel begrüßte zugleich, dass Russlands Präsident Dmitri Medwedew einen Rat zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte einrichten wolle.

Estemirowa war am 15. Juli 2009 ermordet in Tschetschenien aufgefunden worden. Der Mord ist bislang nicht aufgekärt.