Erzbischof Zollitsch und der Verdacht der Beihilfe zum Missbrauch

"Vorwürfe völlig grundlos"

Die Vorwürfe sind heftig: Seit Mittwochnachmittag steht öffentlich der Verdacht im Raum, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch habe etwas mit Beihilfe zum sexuellen Missbrauch zu tun. In die Welt gesetzt wurde die Geschichte von "Report Mainz". Und sie zog schnell Kreise, obwohl schon vor der Ausstrahlung die Haltlosigkeit der Vorwürfe deutlich wurde.

 (DR)

Hintergrund ist die Anzeige eines mutmaßlichen Missbrauchsopfers eines Mönchs aus der österreichischen Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau. Zu der bei Bregenz gelegenen Abtei gehören auch die Wallfahrtskirche in Birnau und weitere Pfarreien am deutschen Bodenseeufer. In einer der Pfarreien soll der Missbrauch geschehen sein. Zollitsch, so das ARD-Magazin unter Bezug auf ein Schreiben der Freiburger Staatsanwaltschaft, habe in seinem früheren Amt als Personalreferent des badischen Erzbistums 1987 einen Einsatz des Paters auf der Birnau «veranlasst», obwohl es schon seit den 1960er Jahren Hinweise auf sexuellen Missbrauch durch den Zisterziensermönch gegeben habe.

Das halten Juristen schlichtweg für unmöglich. Zollitsch, so der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier, sei für die Seelsorge in der Wallfahrtskirche «niemals zuständig gewesen, weder als Personalreferent noch als Erzbischof». Die Abtei samt den dazugehörigen Pfarreien sei selbstständig, der Einsatz von Personal allein Sache des Abts. Ähnlich äußerte sich Biers Tübinger Kollege, der Kirchenrechtler Richard Puza.

Ausnahmefall des Ausnahmefalls
Sogenannte Territorialabteien, die es im Mittelalter häufig gab, sind heute die große Ausnahme. Weltweit gibt es laut Bier noch ein gutes Dutzend solcher Exklaven. Und dass - wie im Fall der im 12. Jahrhundert in der Schweiz gegründeten und im 19. Jahrhundert nach Österreich übergesiedelten Abtei - der Sitz des Klosters und der Einsatzort in einer Pfarrei sowohl staaten- als auch bistumsübergreifend sind, stellt zweifellos den Ausnahmefall des Ausnahmefalls dar.

Am Donnerstagvormittag räumte Abt Anselm van der Linde in einer Erklärung einen «nicht adäquaten Umgang» des Ordens mit Tätern und Opfern von Missbrauch ein. Er bedauerte zugleich, dass Zollitsch nun «plötzlich und völlig grundlos» mit Missbrauchsfällen in Verbindung gebracht werde. Der Erzbischof habe mit den Vorgängen «nichts zu tun». Anselm betonte, er könne das geschehene Unrecht nicht ungeschehen machen. Zugleich appellierte er an die Opfer, mit den staatlichen Behörden und, «so es ihnen möglich ist», mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Ermittlungen gegen Ordensmann laufen schon länger
Die staatlichen Behörden - das ist in diesem Fall die Staatanwaltschaft in Konstanz. Sie ermittelt bereits seit längerer Zeit gegen den Ordensmann. Zum Stand der Ermittlungen wollte sich Oberstaatsanwalt Christoph Hettenbach auf Anfrage nicht äußern, da die Akten derzeit bei der Polizei lägen. An den Bodensee weitergeleitet wurde von der Freiburger Staatsanwaltschaft inzwischen die Strafanzeige gegen Zollitsch. Laut Hettenbach sind bislang in Konstanz keine Akten eingegangen; entsprechend konnte das Freiburger Übernahmegesuch nicht bearbeitet werden.

Indes hält Bier das Verhalten der Freiburger Ermittlungsbehörde, die den Eingang der Anzeige öffentlich bestätigt hatte, für «irritierend». In einem solch frühen Stadium solle eine Staatsanwaltschaft nicht an die Öffentlichkeit gehen. Allerdings habe derzeit offenbar «jeder Angst, bei einem Missbrauchsvorwurf zu spät zu handeln», weil etwas «an einem selbst hängen bleiben könnte». Ungeprüfte Missbrauchsvorwürfe aber seien problematisch, weil ein Betroffener auch dann beschädigt werde, wenn sich später herausstelle, dass alles frei erfunden sei.

Das Erzbistum betonte, der heutige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz habe von den der Anzeige zugrundeliegenden Vorwürfen aus den 1960er Jahren erst 2006 erfahren und dann rasch gehandelt. Bereits vor Monaten hatte das Erzbistum mitgeteilt, dass es nach Bekanntwerden des Vorwurfs den Zisterzienserorden eingeschaltet und Konsequenzen eingefordert habe. Das Erzbistum spricht deshalb von der «erkennbaren Absicht, mit dem sensationsheischend formulierten Vorwurf der 'Beihilfe zum sexuellen Missbrauch' gegen einen Erzbischof Medieninteresse zu provozieren».