Polizei-Seelsorger bestätigt Gewaltstudie

"Für die Jüngeren schon Normalität"

Die Gewalt gegen Polizisten nimmt weiter zu. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. "Ich werde immer mehr und immer wieder darauf angesprochen", sagt auch Rainer Dürscheid. Gegenüber domradio.de beschreibt der Polizei-Seelsorger die möglichen Ursachen und Folgen.

 (DR)

Die Gruppe der Aggressiven sei klein. Dennoch, glaubt Dürscheid zu erkennen, spiegele sich die Hilflosigkeit des Staates gegenüber dieser Gruppe auch bei den Polizisten wieder. Und auch umgekehrt: "Die Perspektivlosigkeit gegenüber dem Staat zeigt sich im Umgang mit der Polizei."

Für die jüngeren Kollegen seien diese Begegnungen inzwischen sogar schon  Normalität geworden. Die Älteren hingegen klagten, nicht mehr der respektierte "Schutzmann" zu sein, der sie früher mal waren. Er selber versuche den Frauen und Männern zu helfen, indem er zuhöre. Das sein wichtig, ein "vernünftiges Gespräch"., das ist wichtig, dass ihnen jemand zuhört.

Die Studie
Polizisten werden immer öfter Opfer von Gewalt. Von 2005 bis 2009 sei die Zahl der schweren Übergriffe, nach denen die Betroffenen wegen der Verletzungen mindestens eine Woche nicht zum Dienst erscheinen konnten, um rund 60 Prozent gestiegen, sagte Niedersachsens Innenminster Uwe Schünemann (CDU) in Berlin, wo am Mittwoch (26.05.2010) erste Ergebnisse der Studie "Gewalt gegen Polizeibeamte" des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) vorgestellt wurden. Angesichts dieser Zahlen forderte Schünemann härtere Strafen für die Täter.??

Besonders häufig würden Streifenbeamte verletzt, fügte KFN-Direktor Christian Pfeiffer hinzu. Etwa wenn sie einen Streit im familiären Umfeld oder in der Öffentlichkeit schlichten müssten. Auf Konflikte bei Demonstrationen entfielen nur etwa acht Prozent der schweren Verletzungen. Das liege aber daran, dass die Polizisten bei solchen Veranstaltungen von vornherein besser geschützt seien. ??

Exemplarisch für die Häufigkeit der Übergriffe nannte Pfeiffer einige Zahlen aus dem vergangenen Jahr. Mehr als 80 Prozent aller befragten Polizisten gaben an, 2009 mindestens einmal beleidigt oder bedroht worden zu sein. Mehr als jeder Vierte wurde geschlagen oder mit Füßen getreten, beinahe jeder Zehnte mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Gegenstand angegriffen. Im Streifendienst lägen diese Werte noch höher, sagte Pfeiffer. ??


Die Analyse der Daten zu den Tätern sei zwar noch nicht abgeschlossen, generell zeichne sich aber ab, dass es sich vorwiegend um junge, betrunkene Männer handle. Bei Demonstrationen sei zudem die Zahl der linksextremistischen Übergriffe auf Polizisten gestiegen. ??

Härtere Sanktionen bei Gewalt gegen Polizisten
Angesichts dieser Zahlen plädierte Schünemann für härtere Sanktionen bei Gewalt gegen Polizisten. Die Höchststrafe solle von zwei auf vier Jahre angehoben und auch die Mindeststrafe erhöht werden. Schünemann fordert zudem - wie auch die Gewerkschaft der Polizei - eine Änderung im Strafgesetzbuch. Der jetzige Paragraf 113 "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" reiche nicht aus, weil er zum Beispiel Angriffe in anderen Situationen als bei einer Festnahme nicht berücksichtige. ??

Auch Pfeiffer unterstützt generell die Forderung nach einem speziellen Strafrechtsparagrafen. Diese "symbolische Geste" werde aber nicht den "großen Wandel" bringen. Wichtiger sei Prävention, sagte er. Auch Schünemann betonte, dass neben dem rechtlichen Aspekt eine bessere Aufklärung, zum Beispiel über die Risiken von Alkoholkonsum, nötig sei. Genauso wichtig sei aber, dass die Menschen zu mehr Zivilcourage ermuntert würden.

An der Erhebung hatten sich zwischen dem 8. Februar und 28. März 2010 mehr als 22 500 Polizisten aus den zehn Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen beteiligt. Die Gesamtkosten der Studie liegen den Angaben zufolge bei 91 000 Euro.