Bruder Paulus Terwitte über den späten Rückzug des Augsburger Bischofs

"Für die Kirche ist es ein Armutszeugnis"

Der Bischof von Augsburg Dr. Walter Mixa hat gestern in einem Brief an den Heiligen Vater seinen Rücktritt angeboten. Für Kapuzinermönch Bruder Paulus Terwitte war dieser Schritt unausweichlich, hätte aber früher erfolgen sollen. Im Interview spricht Terwitte über das anhaltende Glaubwürdigkeitsproblem seiner Kirche.

 (DR)

domradio.de: Bruder Paulus, wie schätzen Sie diesen Schritt von Bischof Walter Mixa ein?
Bruder Paulus: Ich finde, dass dieser Schritt zu spät kommt, er hätte viel früher kommen müssen. Wer Fehler gemacht hat, der muss einfach dazu stehen. Der größte Fehler war, dass er falsch beraten worden ist. Er hat noch auf diesem fürstbischöflichen Sessel gesessen und gedacht, was stört mich das alles, ich habe ja doch die Macht.

domradio.de: War das eine nun eine Konsequenz aus dem öffentlichen Druck, oder ist da auch eine gewisse Einsicht gekommen?
Bruder Paulus: Man muss tatsächlich sehen, dass die Medienwirklichkeit in Deutschland so ist, dass wir Gott sei Dank einen offenen Journalismus haben. Mittlerweile ist wohl auch unter den Bischöfen die Einsicht gereift, dass man auch mittels der Medien einem Amtsbruder Druck machen kann. Das hat es glaube ich noch nie in der Geschichte der Kirche gegeben, dass zwei Erzbischöfe im Namen der bayrischen und deutschen Bischofskonferenzen auftreten und dem Amtsbruder eine Pause empfehlen. Das ist ein solches Novum, dass ich mir nur erklären kann, dass wirklich die Kirche ganz deutlich machen wollte: "Wir möchten auch in den eigenen Reihen klar und deutlich sprechen." Ich glaube, dieser Druck war wohl nötig, dass der Bischof dann gesagt hat, nun muss ich dann doch zurücktreten. (Vor einigen Jahren hatte der Mainzer Weihbischof Franziskus Eisenbach seinen Amtsverzicht eingereicht. Damals ging es um den Vorwurf sexueller Nötigung. Anm.d.R.)

domradio.de: Hätte denn eine Amtspause nicht erst einmal auch ausgereicht?
Bruder Paulus: Nein, das geht einfach nicht. Ein Bischof, der in der Öffentlichkeit Opfer beleidigt, der muss einfach zurücktreten, und es ist eine Beleidigung, wenn man Leuten, die versichern, geprügelt worden zu sein, sagt, das ist nicht wahr. So was geht einfach nicht. Wir brauchen in der Kirche eine Atmosphäre des Dialoges, wo auch der Kleinste die Vollmacht bekommt, wirklich sprechen zu dürfen. Hier muss in den kirchlichen Kreisen ganz neu gelernt werden, dass die Opfer nicht erst eine Ordinariatsleiter hochsteigen müssen, durch alle Abteilungen gehen müssen, bis sie den Bischof persönlich sprechen dürfen. Denken sie an die Bilder, die wir von Papst Johannes Paul II. und auch von Papst Benedikt XVI. kennen, wo sie selber mit den Opfern sprechen! Ja, diese Zeit ist gekommen, dass auch die Bischöfe ihre Türen öffnen, dass jene, die zu klagen haben, auch in ihr Ohr persönlich klagen dürfen.

domradio.de: Welche Folgen hat das nun für die Glaubwürdigkeit der Kirche?
Bruder Paulus: An dieser Stelle leidet die Kirche in Deutschland ja gerade. Die Glaubwürdigkeit ist wirklich sehr in Zweifel gezogen und zwar nicht nur deswegen, weil diese fürchterlichen Dinge von Priestern und Ordensleuten an jungen Menschen geschehen sind, sondern auch darum, wie dann damit umgegangen wird. Ich selber war Zeuge eines Vorganges, wo das Opfer und seine Familie nicht direkt mit seinen Gedanken ausreichend genug vom Bischof gehört wurde.

Der Glaubwürdigkeitsverlust besteht darin, dass die Kirche in der Öffentlichkeit nicht das tut, wovon sie immer spricht. Wir sprechen doch von Leben in Buße! Dazu gehört einfach, dass man zum einen erkennt, zum zweiten es bereut und bekennt und dann muss man einen Bußvorsatz fassen. Das ist etwas, was wir in der Kirche kennen. Dann erst kann die Lossprechung erfolgen und auch die Gesellschaft wird die Kirche in diesem Sinne erst lossprechen, wenn wir wirklich alles erkennen und bekennen wollen und uns ein Bußwerk vornehmen. Die Absolution wird dann erfolgen, aber erst dann.

domradio.de: Welche Wirkung hat Mixas Schritt nun in der Öffentlichkeit?
Bruder Paulus: Dieser Schritt wird nicht die Wirkung haben, die er vielleicht noch vor einem Monat hätte entfalten können: Ein Mann, ein Wort und wenn ich was falsch gemacht habe, trete ich zurück. Hier ist jetzt doch wieder hin und her laviert und Politik gemacht worden. Die Gesellschaft muss den Eindruck haben, dass sie der Kirche auf die Sprünge helfen muss. Dieser Eindruck ist fatal. Den Medien ist nun zu gratulieren, dass sie es in ihrer unnachgiebigen Art geschafft haben, das Thema am kochen zu halten. Für die Kirche ist es ein Armutszeugnis, und ich hoffe, dass nun auch in anderen Fällen tatsächlich auch Priester und Bischöfe sagen, wenn es denn notwendig ist: Ich bin jetzt verbrannt für den Dienst und dann muss ich zurücktreten. Gutes Beispiel dafür ist ja der Fall Käßmann.

Das Interview führte Stephan Baur.