Der Prager Erzbischof Vlk geht in Ruhestand

Vom Fensterputzer zum Kardinal

Vom Tellerwäscher zum Millionär - man kennt dieses US-Klischee einer Erfolgsgeschichte. Miloslav Vlk, der an diesem Samstag seinem Nachfolger Dominik Duka die Amtsgeschäfte des Prager Erzbischofs übergibt, verkörpert den Alternativentwurf: Vom Fensterputzer zum Kardinal.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Der heute 77-Jährige arbeitete, schon zum Priester geweiht, nach dem Prager Frühling von 1968 acht Jahre als Reinigungskraft - und wurde dann doch zu einer der Symbolfiguren des Glaubens im Mitteleuropa nach dem Kommunismus.

Vlk steht für die lebendige Kirche im kommunistischen Osteuropa.
Berufsverbote und Schikanen: Am eigenen Leib hat der stämmige Kirchenmann, der herzhaft lachen und gut erzählen kann, die Kirchenverfolgung in der damaligen Tschechoslowakei erfahren. Nachdem er sich früh entschlossen hatte, Priester zu werden, und 1952 in Budweis Abitur machte, konnte er zunächst nicht Theologie studieren; der Staat hatte sämtliche Seminare aufgelöst. Vlk verdingte sich als Fabrikarbeiter und absolvierte den Militärdienst.  Danach gewährte ihm der Staat den Besuch einer Hochschule: So studierte er Archivwissenschaften und wurde schließlich Direktor desBezirks- und Staatsarchivs in Budweis.

Doch Vlks Wille, der Priesterberufung zu folgen, bestand fort. So nahm er 1964 nach Beratungen mit seinem internierten Bischof das Theologiestudium in Leitmeritz auf. Nach vierjährigen Studien wurde er im Juni 1968 zum Priester geweiht. Weil er als Seelsorger zu erfolgreich schien, entzogen ihm die Behörden die Zulassung. Es folgten die Jahre als Fensterputzer in Prag - und als Seelsorger im Untergrund.

"Konkrete Zeugen des Glaubens"
Erst 1989 erhielt Vlk wieder die staatliche Erlaubnis, als Priester arbeiten zu dürfen. Gut 13 Monate später ernannte Papst Johannes Paul II. den Pfarrer zum Bischof. So ein Lebenslauf prägt. Vlk bezeichnet es als unentbehrlich, dass Lehrer der Theologie "konkrete Zeugen des Glaubens" seien. Wenn der heutige Mensch noch auf die Lehrer höre, "dann, weil sie Zeugen sind". Die Kardinalswürde 1994, diverse Ehrendoktortitel, 2001 der Brückepreis der Stadt Görlitz, 2006 der Europäische Sankt-Ulrichs-Preis und die Nepomuk-Medaille der Ackermann-Gemeinde galten diesem persönlichen Lebenszeugnis wie seinem ökumenischem und europäischem Engagement.

Und der Kardinal sorgte auch mit für das Zusammenwachsen der katholischen Kirche in Europa. Von 1993 bis 2001 stand er an der Spitze des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Im Westen wie im Osten wird er geschätzt. Schon früh nach 1989 pflegte er den vertrauensvollen Dialog mit Amtsbrüdern im Westen, lud Kirchenvertreter aus ganz Europa nach Prag.

Mit Blick auf die Entwicklung in seiner Heimat ist bei Vlk in den letzten Jahren freilich auch immer wieder Enttäuschung zu spüren. "Die Leute haben den Kommunismus noch in den Köpfen und in den Herzen, ohne es zu wissen", klagte er etwa im vergangenen Herbst. "Manche Politiker marschieren munter weiter in der alten Weise."

Tauziehen um den Besitz des Prager Veitsdom
Ein 16-jähriges Tauziehen gab es um den Besitz des Prager Veitsdoms, den das höchste Gericht letztlich dem Staat und nicht der Kirche zusprach. Es gab viele Kontroversen um ein Religionsgesetz, das die kirchliche Sozialarbeit beschränkt, und um die Staat-Kirche-Beziehungen, die sich in kaum einem anderen europäischen Land so schwierig gestalten. "Ich habe im Kommunismus gekämpft, und ich habe in der Demokratie gekämpft. Leider in beiden Fällen ohne großen Erfolg", sagte Vlk nicht ohne Bitterkeit. Der Besuch des Papstes, der dann folgte, war für ihn noch einmal ein Höhepunkt, wird die Enttäuschung über die Heimat aber wohl nicht verdrängen.

Mit seinem Lebenslauf - und seinen Enttäuschungen - verkörpert Vlk das Schicksal der Kirche in Tschechien, dem vielleicht am stärksten entkirchlichten Land des früheren Ostblocks. Zuletzt warnte er wiederholt vor einer fortschreitenden Säkularisierung in Europa. Sie werde die geistigen und moralischen Grundlagen des Westens gefährden. "Vielleicht", so hofft er, "haben wir noch zehn Jahre eine Chance, uns dieser Entwicklung entgegenzustellen".