Stephan Ackermann steht im Fokus der Medien

Der Bischof als Chefredakteur

Bischof Stephan Ackermann ist im Zwiespalt. Die "Rhein-Zeitung" in Koblenz hat ihn an diesem Montag zu ihrem Gast-Chefredakteur erkoren - und da darf er selbst entscheiden, ob er einen Kommentar über ethisches Investment oder über den kirchlichen Missbrauchsskandal verfasst.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Als Vorsitzender der für Menschenrechte kämpfenden Kommission Justitia et Pax würde er gerne etwas über Gerechtigkeit in der Finanzwelt sagen. Zumal er sich als Beauftragter der deutschen Bischöfe nun schon x-mal zum Missbrauchsskandal geäußert hat. Aber wenn er im Kommentar auf das aktuelle Thema nicht eingeht, so seine mediale Überlegung, könne das wieder als Vertuschung ausgelegt werden.

Das neue Amt immer im Blick
Auch in seiner schon lange vereinbarten Rolle an der Spitze der Redaktion kann Ackermann nicht einfach an den die Kirche erschütternden Ereignissen vorbeigehen und - auch nur für kurze Zeit - das Amt als Beauftragter für Missbrauchsfälle ablegen. Vor zwei Wochen übertrugen ihm seine Bischofskollegen diese Aufgabe, seit zwei Wochen beschäftigt er sich mit kaum etwas anderem. Vor allem die Medien reißen sich stündlich um den Geistlichen.

Noch vor der morgendlichen Blattkritik wünscht sich die Online-Redakteurin ein Statement des Bischofs - zu den Äußerungen von SPD-Politiker und Katholik Wolfgang Thierse, der die Kirche zu mehr Ehrlichkeit gemahnt hatte. Ackermann ist nicht gerade begeistert über diese «vielen guten Ratschläge», die jetzt auch aus dem innerkirchlichen Raum die Bischöfe erreichen. «Im Moment ist doch erst mal genug gesagt.» Und zur sachlichen und strukturierten Arbeit sei bislang noch gar keine Zeit gewesen. Erst aus einem gewissen Abstand heraus ließen sich doch Aussagen machen - etwa darüber, wie sich die kirchlichen Missbrauchsleitlinien ändern ließen oder inwiefern es eine Entschädigung für die Opfer geben könne.

Täglich neue Fälle
Noch ist der Bischof in erster Linie selbst mit der Aufklärung der vielen Fälle befasst. Täglich erreichen ihn als Missbrauchs-Beauftragten Mails von Opfern, die ihm in ihrer drastischen Schilderungen äußerst nahe gehen. «Ich kann die Post nur sehr dosiert lesen.» Auch ungefilterte Wut über die Kirche muss der Bischof ertragen.

Da scheint die Redaktionsarbeit wie eine willkommene Abwechslung. Der Sportredakteur hat die Aufgabe, die Wochenendausgabe kritisch zu beurteilen. Die Überschrift «Papst drängt auf Aufklärung» findet er ein bisschen überzogen - und erntet damit sogar beim Chefredakteur Bischof Zustimmung: «Eine zu starke Schlagzeile.» Allerdings verteidigt Ackermann auch die Haltung des Papstes zum Missbrauchsskandal. Für ihn sei das Thema Chefsache, wie schon der angekündigte Hirtenbrief für die ebenfalls vom Missbrauch betroffenen Iren deutlich mache.

Zölibat immer wieder Thema
Als Interims-Chefredakteur ist Ackermann natürlich immer wieder auch als Bischof gefragt. Die Redaktion will wissen, wie er denn nun zur Ehelosigkeit der Priester steht. «Der Zölibat ist kein dogmatischer Glaubenssatz», betont der Oberhirte. Und: «Die Kirche wird ohne Zölibat nicht zusammenbrechen.» Das klingt fast revolutionär. Aber eine Abschaffung sieht Ackermann mit Skepsis. In diesem Falle gebe es kaum noch ehelos lebende Priester, denen dann auch noch unterstellt würde, nicht normal zu sein. Und mit Blick auf eine Erneuerung des Glaubens erwartet der Bischof von der Abschaffung des Zölibats auch keine positiven Veränderungen.

Ohnehin spiele der Zölibat in der Debatte um dem Missbrauch nur eine Nebenrolle, findet Ackermann. Vielmehr müsse die katholische Kirche sich mehr mit dem Thema Sexualität an sich befassen. Schließlich erhebe sie hohe moralische Ansprüche. Demgegenüber stehe die Lebenswirklichkeit, in der es - ob ehelos oder in der Ehe - viele Brüche gebe. Und dazu habe die Kirche bisher zu wenig anzubieten, meint Ackermann selbstkritisch.

Vertrauen zurückgewinnen
In jedem Falle haben die Katholiken viel daran zu arbeiten, verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen, so der Bischof. Was dazu spätestens in einem Jahr geschehen sein muss? Die vollständige Aufklärung der alten Fälle müsse beendet und die Richtlinien der Kirche überarbeitet sein, so Ackermann. Und als Ein-Tages-Journalist rät er seinen Redaktionskollegen, mit ihm dann noch einmal ein Bilanz-Interview zu führen. Die Antworten wird er dann wieder ganz als Bischof geben. Und den Kommentar - dazu hat er sich am Abend entschlossen - schreibt er nun doch über ethisches Investment.