Deutscher Kinderhospitzverein begeht 20-jähriges Jubiläum

"...beim Sterben immer leichter"

Vor genau 20 Jahren schlossen sich einige betroffene Eltern zum Deutschen Kinderhopizverein zusammen, um Hilfsstrukturen zu schaffen. Aus diesem Anlass lud Bundestagspräsident Norbert Lammert am Mittwoch Mitglieder, Betroffene und Unterstützer in den Bundestag, um ihnen in Politik und Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

«Wenn alte Menschen sterben, werden sie immer schwerer
- Kinder werden beim Sterben immer leichter, sie lassen sich vom Himmel anziehen und nicht von der Erde.» Mit einer Gedankenkollage führten der Fernsehjournalist Gisbert Baltes und seine Frau Pamela am Mittwoch im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages in ein schwieriges Thema ein: den Umgang mit sterbenden Kindern.  

Immerhin dauerte es von der Vereinsgründung bis zur Eröffnung des ersten Kinderhospizes im sauerländischen Olpe ganze acht Jahre. Inzwischen gibt es bundesweit neun derartige Einrichtungen und 71 ambulante Stellen für «lebensverkürzend erkrankte Kinder». Den heute 2.200 hauptsächlich ehrenamtlichen Mitgliedern galt auch ein Festakt am Abend in der Bonner Bundeskunsthalle. Bei diesen existenziellen Fragen des Lebens könne staatliches Handeln nie das bürgerschaftliche Engagement ersetzen, betonte der Bundestagspräsident in Berlin. Allerdings könne die Politik durchaus Rahmenbedingungen schaffen.

Margret Hartkopf vom Vorstand des Vereins griff diese Zusage gerne auf. In der vergangenen Legislaturperiode seien zwar Weichen gestellt worden, es gebe aber noch viel zu tun. Immerhin würden nun die Belange von Kindern im Gesundheitswesen besser berücksichtigt. So habe der Gesetzgeber bei der Gesundheitsreform den Eigenanteil von Kinderhospizen an Infrastruktur- und Personalkosten gesenkt. Zur Kinderhospizarbeit gehöre allerdings die ganze Familie, weil die Kleinen weder selbstbestimmt noch selbstständig seien, betonte Hartkopf. Deshalb sollten etwa Freizeitangebote und die Versorgung im Osten Deutschlands sowie in ländlichen Regionen ausgebaut werden. Auch bei der Palliativversorgung gebe es großen Nachholbedarf.

Das konnte Ines Nowack als Betroffene nur bestätigen. Ihr schwer kranker Sohn wollte zu Hause sein. Ein Wunsch der sich nur unter großen Mühen realisieren ließ. «Wir waren total auf uns allein gestellt», sagte sie. Ambulante Hospizdienste oder Schmerzversorgung habe es 2003 noch nicht gegeben, nur ein sporadischer Kontakt zu Klinik- und Kinderarzt, der völlig unzureichend war. Als sie für einige Wochen in das Kinderhospiz Balthasar in Olpe kam, habe sie endlich wieder «einfach nur Mutter sein» können und nicht Pflegerin, erinnert sich Nowack. Später starb ihr 14-jähriger Sohn auch in der Einrichtung.

Angesichts ihrer Erfahrung weiß sie das meist ehrenamtliche Engagement ambulanter Kinderhospizdienste zu schätzen. Diese hätten zwar nicht unmittelbar etwas mit der Pflege zu tun. Sie seien aber eine unerlässliche Begleitung etwa für Geschwisterkinder und eine Entlastung für die ganze Familie. «Die Angst davor, Kinder zu Hause sterben zu lassen, weil es zu wenig Versorgung gibt, sollte es nicht mehr geben», sagte Nowack.

Nach Angaben der Vereinigung sind derzeit in Deutschland 22.600 Minderjährige lebensverkürzend erkrankt. Durch medizinische Fortschritte kann ihre Lebenszeit nicht selten verlängert werden. Diesen schulpflichtigen Kinder möchte Hartkopf künftig «Erziehung und gesellschaftliche Teilhabe» ermöglichen. Dazu stellte sie ein entsprechendes Konzept psychosozialer Begleitung vor. Für sie gehört das Thema Krankheit und Tod nicht nur in die Lehrerfortbildung, sondern auf den Lehrplan.

Bislang hätten die angefragten Ministerien ihr Ansinnen aber abgelehnt. Das nordrheinwestfälische Bildungsministerium habe auf knappe Kassen verwiesen, die Bundesministerien für Gesundheit und Familie auf Nichtzuständigkeit. Hartkopf will nicht aufgeben: «Bevor das erste Kinderhospiz gebaut werden konnte, hieß es auch, das sei nicht machbar.»