Wie der Jesuitenorden mit dem Missbrauchsskandal umgeht

Ein schmerzlicher Prozess

Es ist ein schmerzlicher Prozess: Für die Opfer, die teilweise jahrzehntelang aus Scham geschwiegen haben. Und für den Jesuiten-Orden selbst, der vor einer schweren Bewährungsprobe steht. Gerade einmal zwei Wochen sind es her, dass die ersten Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg bekannt wurden.

Autor/in:
Joachim Heinz und Christoph Renzikowski
 (DR)

Seither hat der Skandal auch die anderen beiden Schulen des Ordens erfasst: St. Blasien im Schwarzwald und das Bonner Aloisiuskolleg. Hinzu kommt die bis 1993 von Jesuiten geführte Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg.

Der offizielle Kurs des Ordens scheint klar. Das öffentliche Bekenntnis einiger Opfer mache ein Untersuchungsverfahren zur vollständigen Aufklärung der Missbrauchsfälle "möglich und zwingend", betonte der ranghöchste Jesuiten-Vertreter in Deutschland, Pater Stefan Dartmann. Er entschuldigte sich bei den Opfern im Namen des Ordens. Und bat zugleich um Verzeihung für das, "was von Verantwortlichen des Ordens damals an notwendigem und genauem Hinschauen und angemessenen Reagieren unterlassen wurde".

Dieses doppelte Eingeständnis von persönlicher Schuld Einzelner und dem Versagen der Ordensgemeinschaft trifft vor allem bei der jüngeren Jesuiten-Generation auf Zuspruch. Nur eine Aufklärung der Verbrechen "ohne Rücksicht auf den eigenen Ruf oder mögliche finanzielle Folgen" helfe jetzt weiter, schreibt der Rektor der Münchner Hochschule für Philosophie, Michael Bordt, in einem offenen Brief. In der Krise, so betont der 49-Jährige, stecke auch eine Chance. Hier könnten sich die Stärken des Ordens neu zeigen: die Verpflichtung zu Glaube und Gerechtigkeit, zu Wahrheit und Werten.

Die Emotionen gehen hoch
Auch der Chefredakteur der jesuitischen Monatszeitschrift "Stimmen der Zeit", Andreas Batlogg, hofft auf einen Lernprozess. Es werde darum gehen, welche Mechanismen bei Verdachtsmomenten künftig in Gang gesetzt werden müssten. In der Vergangenheit seien hier offensichtlich Fehler gemacht worden, sagte der 47-Jährige im Deutschlandradio Kultur. Er bezieht sich vor allem auf die Zeit in den 60er und 70er Jahren. Für Batlogg, der 1985 in den Orden eintrat, geht die kritische Anfrage damit auch an Verantwortliche aus früheren Tagen.

Wie hoch im Kreis der älteren Patres die Emotionen gehen, zeigte jüngst eine Äußerung von Eberhard von Gemmingen. In einem Interview mit der "Heilbronner Stimme" verwahrte sich der ehemalige Chefredakteur von Radio Vatikan dagegen, die Jesuiten nun unter einen Generalverdacht zu stellen. Ihm käme die Stimmung vor wie zu Beginn der antisemitischen Pogrome gegen die Juden im nationalsozialistischen Deutschland. Auch wenn der 73-jährige diesen Vergleich zurückzog: Die Sätze waren in der Welt und nötigten Jesuitenchef Dartmann zu einer öffentlichen Klarstellung. Seine rund 400 Mitbrüder ermahnte der Provinzial inzwischen, sich mit öffentlichen Wortmeldungen zurückzuhalten.

Erste personelle Konsequenzen
Unterdessen fordert der Skandal erste personelle Konsequenzen. In Bonn gab der Rektor des Aloisiuskollegs, Pater Theo Schneider, seinen Posten zu Wochenbeginn ab. Er halte seinen Rücktritt im Interesse einer lückenlosen Aufklärung für angeraten, hieß es. An der Schule kursierten seit längerem Gerüchte über ein Fehlverhalten eines Paters, der 40 Jahre lang in der Schule arbeitete und erst 2007 aus der pädagogischen Arbeit ausschied. Ob sich bei dem Beschuldigten der Verdacht auf sexuellen Missbrauch tatsächlich erhärtet, ist indes offen.

Die von den deutschen Jesuiten mit der Aufklärung beauftragte Anwältin Ursula Raue hat jedenfalls alle Hände voll zu tun. Inzwischen erscheint fraglich, ob sie ihren Bericht bis Mitte des Monats abschließen wird. Und längst belasten die Vorfälle nicht nur die Bildungseinrichtungen des Ordens. Die Missionsprokur der Jesuiten in Nürnberg sah sich am Montag zu einer eigenen Erklärung veranlasst. "Wir verstehen gut, wenn Spenderinnen und Spender aufgrund dieser Vorfälle vom Orden enttäuscht sind oder gar ihr Vertrauen in den Orden und damit auch in unser Werk verloren haben."