Heiner Geißler lobt Aufklärungsbemühungen der Jesuiten

"Ein wegweisendes Signal"

Der frühere CDU-Generalsekretär und Bundesminister Heiner Geißler hat den Jesuitenorden wegen seiner Aufklärungsbemühungen im Missbrauchsskandal gelobt. Der offensive Umgang mit den Vorwürfen sei ein Signal an die katholische Kirche insgesamt, sagt der ehemalige Jesuitenschüler.

 (DR)

KNA: Herr Dr. Geißler, Sie waren von 1946 bis 1949 Schüler am Jesuitengymnasium in St. Blasien und anschließend vier Jahre lang Novize des Ordens in Pullach. Wie haben Sie die Berichte über sexuellen Missbrauch in den Schulen des Ordens aufgenommen?
Geißler: Ich selber habe keine negativen Erfahrungen gemacht und damals auch nie etwas über mögliche Missbrauchsfälle gehört. Es handelt sich bei den geschilderten Fällen um das Fehlverhalten weniger, mit denen nicht die vielen anderen Jesuiten in einen Topf geworfen werden dürfen, die in Bildung und Erziehung Hervorragendes leisten.

KNA: Wie beurteilen Sie das Krisenmanagement des Ordens?
Geißler: Ich halte das für vorbildlich - insbesondere für die übrige katholische Kirche, wo ja immer wieder versucht wird, zu verstecken und zu vertuschen. Die Kirchenoberen haben bisher meist nur reagiert, wenn Berichte von Opfern öffentlich wurden. Pater Mertes in Berlin und andere Ordensmitglieder sind dagegen von sich aus an die Öffentlichkeit gegangen und haben aufgeklärt. Das ist ein wegweisendes und positives Signal.

KNA: Sie haben die jesuitische Erziehung gelobt. Was war Ihnen so wichtig daran?
Geißler: Diese Missbrauchsfälle sind völlig atypisch für die Erziehungsziele und die Spiritualität des Ordens. Nehmen Sie die Ordensmitglieder selber: Sie durchlaufen vom Noviziat bis zur Priesterweihe eine zehn bis zwölf Jahre dauernde Ausbildung. Der Orden hat also eine sehr lange Zeit, um Bewerber zu prüfen und auszuwählen. Das Thema Sexualität wurde im Orden nicht tabuisiert.

KNA: Was hat Ihnen persönlich denn die Erziehung bei den Jesuiten gebracht?
Geißler: Es war für mich eine sehr prägende Zeit. Ich habe ein gesundes Selbstbewusstsein gelernt, bin zu Zivilcourage und Weltoffenheit erzogen worden. Man musste sich mit dem Denken anderer Menschen, Philosophien und Religionen auseinandersetzen. Das hat mir im Beruf und in der Politik sehr geholfen. Außerdem war soziale Verantwortung neben der Gottesliebe ein ganz wichtiges Ziel der Ausbildung. Ich denke mit großer Dankbarkeit und Hochachtung an meine Lehrer und die Zeit bei den Jesuiten zurück. Daran hat sich auch durch die aktuellen Berichte nichts geändert. Ich bin froh, dass ich in St. Blasien war.

Das Gespräch führte