Die Versöhnungsgeste des Papstes und ihre Folgen

Gnade den Piusbrüdern

Der 21. Januar 2009 war ein Tag der Gnade für vier traditionalistische Bischöfe und der Beginn von viel Ungemach für den Vatikan. An diesem Datum hob Papst Benedikt XVI. mit seiner Unterschrift die Beugestrafe der Exkommunikation für die vier Bischöfe der von Rom nicht anerkannten Piusbruderschaft auf. Ein Rückblick.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Mit ihrer Weihe durch den schismatischen Erzbischof Marcel Lefebvre hatten sich die Bischöfe seinerzeit selbst ins katholische Abseits manövriert. Als Leiter der Glaubenskongregation hatte Kardinal Joseph Ratzinger 1988 die Verhandlungen, die Lefebvre von seinem Schritt abhalten sollten, persönlich durchlebt und durchlitten.
Jetzt wollte er als Papst ein Zeichen der Versöhnung setzen.

Was er zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Einer der Begnadigten, der Brite Richard Williamson, hatte in einem schwedischen TV-Interview den millionenfachen Judenmord der Nazis geleugnet. Als der Vatikan das Gnadendekret drei Tage nach Unterzeichnung bekanntgab, machten die kruden Äußerungen Williamsons bereits die Runde, einschließlich der Nachricht über Ermittlungen wegen Volksverhetzung. Die Empörung bei Vertretern des Judentums, ebenso bei vielen innerhalb der Kirche und bei Politikern war groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte eine klärendes Wort. Mit ersten Distanzierungen drang der Heilige Stuhl in der Öffentlichkeit nicht recht durch. Es dauerte zwei Wochen, bis das vatikanische Staatssekretariat eine wirklich griffige Klarstellung herausgab.

Papstbrief an die Bischöfe
Seither hat sich viel bewegt in der katholischen Leitungszentrale. In einem ungewöhnlich persönlichen Brief an die Bischöfe der Welt beklagte Benedikt XVI. zwar einerseits die «sprungbereite Feindseligkeit» im eigenen Lager; er räumte aber auch eine interne Kommunikationspanne ein und gelobte Besserung. Tatsächlich bemüht sich der Apparat im Vatikan um mehr Sensibilität für Gesetzmäßigkeiten der Medien.

Die augenfälligste Änderung betraf aber die vatikanische Kontaktstelle für Traditionalisten, die Kommission «Ecclesia Dei». Im Juli wurde das Büro an die Glaubenskongregation angekoppelt, das Personal ausgetauscht. Manche sahen darin eine direkte Konsequenz des Williamson-Debakels. Nach anderer Auffassung folgt die Umstrukturierung schon aus dem Gnadenakt gegen die Exkommunizierten: Seit es den beiderseitigen Willen zum Gespräch über offene theologische Fragen gegeben habe, sei der Wechsel zur Glaubensbehörde «völlig logisch» gewesen, sagt Guido Pozzo, Sekretär von «Ecclesia Dei».

Erste Treffen ohne Ergebnisse
Seit Ende Oktober treffen sich im zweimonatigen Turnus Delegationen der Piusbrüder und des Vatikan. Es handelt sich um Expertengespräche von Theologen, die Themen des von den Piusbrüdern heftig kritisierten Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) diskutieren: über Religionsfreiheit und Ökumene, das Verhältnis zu nichtchristlichen Religionen und den Traditionsbegriff. Die Ergebnisse sollen irgendwann den Leitungsspitzen beider Seiten vorgelegt werden. Einen festen Zeitplan gibt es nicht. «Es ist ziemlich klar, wo die Differenzen liegen», sagte Pozzo nach der zweiten Runde am Montag. «Man muss sehen, ob es möglich ist, sie zu überwinden.»

In seinen Aussagen gegenüber dem Judentum hat Benedikt XVI.
unterdessen zu immer größerer Prononciertheit gefunden: Da war ein Treffen mit US-Rabbinern, gerade drei Wochen nach dem «Fall Williamson»; der Papst verurteilte die Schoah als «Verbrechen gegen Gott und die Menschheit», betonte die Wurzeln des christlichen Glaubens im Judentum. Zur großen Probe wurde seine Reise ins Heilige Land. In der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem legte Benedikt XVI. seine persönliche Theologie der Erinnerung dar. Schließlich besuchte er die römische Synagoge am vergangenen Sonntag: Trotz Debatten um die Seligsprechung von Pius XII. (1939-58) müssten jetzt jegliche Zweifel am Dialogwillen des Papstes «endgültig beseitigt» sein, bilanzierte Kurienkardinal Walter Kasper.