Erneut zerstörte Gebaeude - Bundesregierung stockt Hilfe auf

Schweres Nachbeben erschüttert Haiti

Ein schweres Nachbeben hat am Mittwoch Haiti erschüttert. Das Beben mit der Stärke von 6,1 um sechs Uhr morgens hatte sein Epizentrum 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince. Nach ersten Berichten stürzten einige bereits beschädigte Gebäude in Port-au-Prince ein. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt.

 (DR)

Mitarbeiter von Hilfswerken äußerten sich besorgt. «Es gab ein tiefes Grollen und die Erde hat sich bewegt», berichtete Bogdan Dumitru von CARE international aus Haiti. Der World-Vision-Mitarbeiter Marwin Meier in Port-au-Prince sagte: «Wir befürchten, dass noch mehr Menschen gestorben sind, unter einstürzenden Gebäuden, die einfach noch nicht abgesichert waren.» Das Erdbeben vom 12. Januar hatte eine Stärke von 7,0.

Der deutsche Arzt Michael Etges, der in einem Rettungsteam der Organisation ISAR in Haiti mitarbeitet, rechnet mit neuen Verschütteten. Er und seine Kollegen seien in ihren Feldbetten in einem Zelt beim Flughafen «ordentlich durchgeschüttelt» worden, berichtete er dem epd. Bisher wurden nach UN-Angaben 121 Menschen lebend aus Trümmern geborgen, zuletzt am Dienstag eine 69-jährige Frau.


Deutschland will langristig helfen
Unterdessen stockte die Bundesregierung ihre Hilfen für die Erdbebenopfer von 7,5 auf zehn Millionen Euro auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) versicherte am Dienstagabend in der ZDF-Spendengala, dass sich Deutschland neben der Nothilfe auch langfristig engagieren werde.

Bei der Spendengala von ZDF und «Bild»-Zeitung wurden nach ZDF-Angaben bis Mittwochmittag mehr als 20 Millionen Euro für Haiti gesammelt. Zum Vergleich: Nach dem Tsunami 2004 hatte eine Spendengala von ZDF und «Bild» insgesamt 40 Millionen Euro eingebracht.

Über die Höhe der Produktionskosten der Haiti-Sendung wollte sich das ZDF zunächst nicht äußern. Spendeneinnahmen würden dazu aber nicht verwendet, sagte ein ZDF-Sprecher. Das Geld geht an die Aktion «Ein Herz für Kinder» des Vereins «Bild hilft», das Deutsche Rote Kreuz, Caritas international, die Deutsche Welthungerhilfe und die Diakonie Katastrophenhilfe. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen kritisierte, dass «Ein Herz für Kinder» keine Finanzberichte veröffentliche.

Eine Million Essensrationen
Das Welternährungsprogramm hat inzwischen eine Million Essensrationen an 200.000 Menschen in Haiti verteilt. Es wird geschätzt, dass 3,5 Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sind. Die Zahl der Toten schätzt die Regierung auf bis zu 200.000. Mehr als 70.000 Menschen seien bereits beerdigt.

Hilfsorganisationen beklagten unterdessen eine mangelnde Koordination bei der Versorgung der Notleidenden. «Ärzte ohne Grenzen» protestierte gegen die Behinderung von Hilfsflügen. Einem Flugzeug mit medizinischen Hilfsgütern sei seit Sonntag drei Mal die Landung in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince verwehrt worden, erklärte die Nothilfeorganisation in Berlin. «Wir können nicht akzeptieren, dass Flugzeuge mit lebensrettender medizinischer Ausrüstung weiterhin abgewiesen werden, während unsere Patienten sterben», sagte Rosa Crestani von «Ärzte ohne Grenzen» in Haiti.

Gründe sind den Angaben zufolge nicht bekannt. Das Flugzeug sollte zwölf Tonnen Hilfsgüter, darunter Medikamente, chirurgisches Material und zwei Dialysemaschinen, zu den Erdbeben-Opfern bringen. Der völlig überlastete Flughafen von Port-au-Prince wird von US-Truppen in Haiti kontrolliert.

Nach UN-Angaben wurde das Gerangel am Flughafen inzwischen entschärft. Die UN-Friedensmission in Haiti, die US-Luftwaffe und das UN-Welternährungsprogramm hätten sich auf eine Prioritätenliste für eintreffende Flüge geeinigt, hieß es. Derzeit stünden Gerät für Trinkwasseraufbereitung, Logistik-Experten, Nahrungsmittel und medizinische Güter an oberster Stelle.

Einsatz von US-Soldaten
Mehrere Dutzend Fallschirmspringer der US-Armee waren am Dienstag im Garten des zerstörten Präsidentenpalastes von Haiti gelandet. Das US-Außenministerium betonte, die Soldaten seien notwendig, um die Sicherheit der Hilfslieferungen zu gewährleisten. Insgesamt wollen die USA ihre Truppenstärke in Haiti auf mehr als 12.000 Mann erhöhen. Zugleich beschloss der UN-Sicherheitsrat in New York, die Zahl der Blauhelme in Haiti auf 12.500 zu erhöhen, von zuvor 9.000. Haiti selbst, das lange von Militärdiktaturen beherrscht worden war, hat seit einigen Jahren keine eigene Armee mehr, nur eine kleine Küstenwache.

In den USA spendeten gemeinnützige Institutionen, Unternehmen und Bürger nach Medienberichten bisher mehr als 200 Millionen US-Dollar für Haiti.