Der Benediktiner Anselm Grün wird 65

Der Glücksfall

Über 200 Bücher hat er geschrieben. Er hält Kurse und Vorträge. Er versucht auf die Nöte und Fragen der Menschen einzugehen. Und ganz "nebenbei" kümmert er sich um die Finanzen seiner Abtei Münsterschwarzach: Benediktinermönch Anselm Grün.

Autor/in:
Christian Wölfel
 (DR)

Vielen ist der bärtige, grauhaarige Mann bestens bekannt. Ein Blick auf sein Leben, seine Arbeit und sein Geheimnis, Menschen zu berühren und Sinn zu stiften. «Ich wünsche mir, dass in meinem Nachruf stehen wird, dass er ein weites Herz hatte und dass er die Menschen geliebt hat, für die er die Bücher geschrieben hat», notiert Anselm Grün. Einen eigenen Nachruf zu verfassen, könne Klarheit schaffen, was im eigenen Leben zähle. Vom Glückspater, Volksprediger oder gar Guru kann keine Rede sein. Grün sieht sich nicht als solchen, auch wenn die Vorträge des Benediktiners aus Münsterschwarzach stets ausverkauft sind, Manager seine Seminare besuchen und seine Bücher zu den Bestsellern christlicher Literatur gehören.

«Für mich persönlich besteht die Kunst darin, die christlichen Geheimnisse so zu beschreiben, dass die Menschen merken: Das entspricht meiner tiefsten Sehnsucht», erklärt der am Donnerstag vor 65 Jahren im fränkischen Junkershausen als Wilhelm Grün geborene Pater. Im Elektrogeschäft seines Vaters in München half er früh mit. Dort sammelte der Junge Erfahrungen, die er später als wirtschaftlicher Leiter der Abtei Münsterschwarzach brauchen sollte.
In das Kloster trat er mit 19 Jahren ein.

Eigentlich wollte Grün als Seelsorger in die Mission gehen.
Stattdessen machte sich der Ordensmann nach seiner Promotion in Theologie noch an ein Studium der Betriebswirtschaft in Nürnberg.
Seit 32 Jahren ist er nun Kloster-Cellerar, Chef eines mittelständischen Unternehmens mit fast 300 Mitarbeitern in 20 Betrieben. Verantwortlich dafür, dass für das Kloster, die Gehälter und für das ordenseigene Gymnasium mit rund 1.000 Schülern immer genug Geld da ist.

Dabei ist der Mann mit dem grauen Rauschebart, den langen Haaren und der schwarzen Kutte selbst eine wichtige «Einnahmequelle» und somit ein Glücksfall für die Abtei. Bei seinen Büchern, die teilweise im klösterlichen Vier-Türme-Verlag erscheinen, kommt Grün auf 250 Titel. Die Auflage umfasst mehr als 16 Millionen Exemplare in 32 Sprachen. Er schreibt vor allem Ratgeber-Literatur. Allein sein Buch «50 Engel für das Jahr» von 1997 hat sich mehr als eine Million Mal verkauft. Doch nur sechs Stunden pro Woche findet Grün Zeit für die Arbeit an seinen Werken.

«Ich bin dankbar für den Erfolg und für die Resonanz meiner Bücher, weil ich spüre, dass sich die Menschen nach einer Spiritualität sehnen, die nicht bewertet und moralisiert, sondern in eine christliche Erfahrung führt.» So definiert der Autor sein Erfolgsgeheimnis, das ihn auch zum gefragten Vortragsredner macht.
Drei bis vier Vorträge pro Woche hält Grün in Deutschland, und nahezu jedes Mal fährt er in der Nacht noch zurück ins Kloster, um dann um fünf Uhr früh bei der Morgenhore dabei zu sein.

Dazu kommen Seminare, nicht nur für Manager. Auch sie sind meist ausgebucht. Grün hat eine Fangemeinde wie wohl kaum ein anderer Geistlicher in Deutschland. Dies ging so weit, dass er vor einer Stalkerin gerichtlichen Schutz suchen musste, die ihn bis in die Abteikirche belästigte. Der Pater hat aber auch Kritiker. Sie werfen ihm vor, nicht das Christentum zu vermitteln, ja es zu verfälschen. Überhaupt sei seine Theologie zu esoterisch. Der Erfolg Grüns ruft eben auch Neider hervor.

Als der Seminarleiter für Manager zugab, während der Wirtschafts- und Finanzkrise Geld des Ordens an der Börse verloren zu haben, wurde er prompt von einer großen Boulevard-Zeitung zum «Verlierer des Tages» erklärt. Geärgert habe ihn das, bekennt Grün. Aber er habe es auch als Chance begriffen: «Das tut meinem Image ganz gut, nicht immer nur als der Erfolgreiche zu gelten. Ich nehme es als spirituelle Herausforderung, zu Misserfolgen zu stehen.»

Seine wichtigste Aufgabe als Autor und Vortragsreisender sei, spirituell Suchenden den Reichtum der christlichen Botschaft und Tradition zu vermitteln, sagt der Benediktiner. Was wäre, wenn keiner mehr seine Bücher lesen oder seine Vorträge hören wollte? «Es wäre eine Herausforderung», bekennt Grün, «einfach in aller Stille und für mich selbst zu lesen, zu überlegen, was mich trägt, dem Geheimnis Gottes und des Menschen nachzuspüren».