Katrin Göring-Eckardt zur Gründung der Grünen vor 30 Jahren und dem Verhältnis ihrer Partei zu den Kirchen

Zwischen "ein bisschen antiklerikal" und "treu"

Vor 30 Jahren (12.01.1980) tagte in Karlsruhe der Gründungsparteitag der Grünen. Anlässlich des Jubiläums blickt Katrin Göring-Eckardt im domradio-Interview zurück, auch auf das Verhältnis ihrer Partei zu den Kirchen. "Es ganz immer welche, die ganz treu an der Seite ihrer Kirche standen." Das einst "zerschnittene Tischtuch" zu den Katholiken sieht die Protestantin längst repariert.

 (DR)

domradio: Es lange gedauert bis es die Grünen an die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland geschafft haben. Wie bewerten Sie diese Wende für Ihre Partei?
Göring-Eckardt: Das ist etwas, das ganz besonders klingt. Andererseits kommen natürlich viele, die damals in der Friedens-, Ökologie- und auch Frauenbewegung waren, aus der Evangelischen Kirche. Da gab es auch zu Zeiten der Gründung der Grünen eine sehr, sehr große Nähe. Und insofern sagen wir mal so: So ungewöhnlich ist es dann doch nicht.

domradio: Wie hat sich das Verhältnis der Grünen zur Kirche in den vergangenen 30 Jahren verändert?
Göring-Eckardt: Auf der einen Seite gab es immer eine Kirchenferne, bei einigen innerhalb der Grünen auch ein bisschen ein Anti-Klerikalismus. Auf der anderen Seite gab es immer welche, die ganz treu an der Seite ihrer Kirche, der evangelischen und der katholischen, gestanden haben. Mit der Evangelischen Kirche, muss man sagen, gab es vor allen Dingen viele Übereinstimmungen. Bei Menschenrechtsfragen, bei Friedensfragen, auch bei Umweltfragen hat es ganz viel auch an gemeinsamem Tun gegeben, auch natürlich, wenn es um gesellschaftliche Mehrheiten ging. Viel, viel schwieriger war das mit der Katholischen Kirche, da gab es mal das berühmte Wort von dem Tischtuch, das zerschnitten sei. Das ist aber, glaube ich, inzwischen ganz gut zusammengeflickt und sieht schön aus.

domradio: 1980 wurde die grüne Bundespartei gegründet. Was unterscheidet die grüne Bewegung von damals mit der von heute?
Göring-Eckardt: Auf der einen Seite sind wir ganz die Alten, wenn es um die Themen und die großen gesellschaftlichen Fragen geht. Auf der anderen Seite sind wir jetzt nach 30 Jahren in nahezu allen Parlamenten vertreten - das bedeutet jetzt nicht mehr, dass wir die Gesellschaft von außen verändern müssen, sondern das von innen tun. Wir haben die Bundesrepublik mitregiert, wir stellen Oberbürgermeister. Insofern ist das eine andere Situation. Trotzdem sind wir immer noch auch  Bewegung. Sie werden die Grünen immer noch finden, wenn es in Gorleben darum geht, dass dort Atommüll-Transporte ankommen.

domradio: Die Partei hat inzwischen Bundeswehreinsätze im Ausland mitgeprägt. Zur Gründung der Partei wäre so etwas doch nie vorstellbar gewesen.  Werden die Grünen noch Ihren Idealen von früher gerecht?
Göring-Eckardt: Die Grünen haben ja nicht einfach irgendwelchen Einsätzen zugestimmt. Sondern sie haben sich gerade das mehr als schwierig gemacht. Und wir haben eine Diskussion geführt stellvertretend für die gesamte Gesellschaft. Jede Partei entwickelt sich natürlich weiter - so auch unsere. Trotzdem ist die Frage von Krieg und Frieden eine, die uns immer wieder neu bewegt. Da gibt es keinen Automatismus, wir fragen immer wieder von vorne: Ist es möglich, ist es an dieser Stelle irgendwie gerechtfertigt? Und vor allem bleibt natürlich die Prävention für uns ganz eindeutig bei humanitärer Intervention, bei humanitärem Aufbau, egal, um was es geht. Vor allen Dingen beim Thema Konfliktprävention, also etwas vorher tun.

domradio: Wo sehen Sie die Grünen in den nächsten 30 Jahren?
Göring-Eckardt: Dann sind ganz viele schon in Rente und nicht erst einige, wie wir das heute haben. Aber ich glaube, die Grünen werden mit ihrem Thema der Ökologie auch in 30 Jahren noch gebraucht werden. Wir haben ganz viele junge Leute, die bei uns Mitglied und aktiv sind, die es in den Bundestag und ins Europäische Parlament geschafft haben. Das ist großartig und etwas Besonderes, dass auch viele Junge sagen: Ja, wir wollen da dabei sein. Deswegen bin ich frohen Mutes, dass wir eine ganz lebendige Partei bleiben werden, die auch - und das ist ein großes Glück - immer wieder offen sein kann und es auch ist für ganz neue Ideen und Vorschläge.

Das Gespräch führte Aurelia Plieschke.

Katrin Göring-Eckardt ist Vize-Präsidentin des Deutschen Bundestags, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland und Vorstandsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentages.