Prof. Klaus Töpfer zur Verantwortung der Christen im Kampf gegen den Klimawandel

"Wir werfen Schöpfung weg!"

Er war Umweltminister und Direktor des UN-Umweltprogramms: Nun ist Prof. Klaus Töpfer Direktor des 2009 von ihm gegründeten Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam. Im domradio-Interview zum Klimagipfel in Kopenhagen spricht Töpfer über die Verantwortung der Christen für die Schöpfung und weise Worte Papst Benedikt XVI.

 (DR)

domradio: Herr Prof. Töpfer, als positiv wird allgemein gewertet, dass US-Präsident Obama persönlich zum Klimagipfel reisen wird. Seit gestern ist klar, er kann was Umweltschutzmaßnahmen angeht, ohne den US-Kongress entscheiden. Ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer für Sie, dass die USA sich weiter bewegen als bisher vermutet?
Töpfer: Immer mehr und mehr Hinweise gibt es, dass dieses große, große und verantwortungsvolle Treffen in Kopenhagen wirklich zu konkreten Erfolgen führt. Sicherlich ist es eine gute Sache, dass Obama schon vorab mitgeteilt hat, dass die USA eine Minderung der CO2-Emission von 17 Prozent auf der Basis von 2005 vornehmen werden. Das ist nicht so viel, wie es dringlich notwendig wäre, aber eine hundertprozentige Kehrtwende gegenüber der Politik von Bush. Er hat sicherlich durch die Entscheidung des Umweltbundesamtes eine Grundlage für den Senat und das Repräsentantenhaus. Man kann nicht sagen, dass er davon unabhängig wird, eine so große stabile Demokratie wird nicht gegen die demokratisch gewählten Kammern zu handhaben sein, aber es eine deutliche Rückenstärkung. Wir sehen vergleichbare gute Zeichen auch in China, vieles liegt noch vor uns, aber die Zeichen mehren sich, dass es wirklich zu einem wichtigen Schritt nach vorne kommen wird.

domradio: Der neue Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist zuerst in Kopenhagen, später folgt die Kanzlerin. Röttgen ist bisher nicht bekannt für seine Bemühungen für den Umweltschutz. Ist die Bundesregierung grundsätzlich gut aufgestellt, was die Umweltpolitik angeht?
Töpfer: Ich glaube, das ist eine sehr gute Ausgangsposition, jeder weiß, das sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel in Person des Themas Klimawandel angenommen hat. Wir wissen, dass es noch große Schwierigkeiten gibt in der Frage  der Finanzierung der Anpassung bei den Ärmsten der armen Länder, die den Klimawandel nicht verursacht haben. Wir sind gut aufgestellt in Deutschland mit Blick auf die erneuerbaren Energien und die Energieeffizienztechniken. Das sind die, die weltweit dringlich gebraucht werden. Damit verbindet sich sehr sinnvoll der Kampf gegen den Klimawandel mit der Ausrichtung auf eine zukunftsfähige Wirtschaftsstruktur in Deutschland.

domradio: Bei der Frage der Unterstützung armer Länder hat sich die Bundesregierung noch nicht klar zu finanziellen Zusagen durchgerungen. Sind Sie da optimistisch?
Töpfer: Ich bin fest davon überzeugt, wenn diese Frage nicht bewältigt wird, können wir alle anderen Erwartungen auf Erfolg auch zurückschrauben. Dies ist eine ganz kompromisslos vertretende Erwartung gerade der ärmsten der armen Länder, die nun wirklich überhaupt nicht zum Klimawandel beigetragen haben. Ein Beispiel: In Kenia, wo ich gelebt habe, liegt die Pro-Kopf-Emission bei 0,3 Tonnen pro Jahr, bei uns sind es 10 und in den USA über 20 Tonnen! Aber gerade diese Länder leiden heute bereits unter der Tatsache, dass die Niederschläge sich verändern und unter extremen Wetterbedingungen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir einen Beitrag leisten können und werden, der diesen Herausforderungen gerecht wird. Man kann nicht Milliarden für geradezu mutwillig in die Krise geführte Banken geben und gleichzeitig sagen, "eine Zusammenarbeit im Klimawandel ist uns keine finanzielle Leistung wert". Das versteht niemand weltweit und es verstehen auch immer mehr Menschen in Deutschland nicht.

domradio: Die zeigt drängt, es müssen, so sagen Forscher, verbindliche Ziele in Kopenhagen gesteckt werden. War - so wie der Spiegel in dieser Woche titelt - das vergangene Jahrzehnt in Sachen Umweltschutz ein verlorenes Jahrzehnt?

Töpfer: Das ist natürlich ein sehr plakativer Titel. Wir sind konfrontiert worden mit den dramatischen Veränderungen in der globalen Gesellschaft, mit Terrorismus und wir haben massiv auf Kosten von Naturkapital gelebt. Wir sind in eine Zeit hineingegangen, in der durch diese gewaltige Finanz- und Wirtschaftskrise dramatische Verschuldungen eingegangen worden sind und die damit die Zukunft belastet. Es gibt viele Indikatoren, die schon klar machen, dass dieses Jahrzehnt ein außerordentlich schwieriges, um nicht zu sagen eine verlorenes, gewesen ist.

domradio: Der Respekt vor der Schöpfung ist eine zentrale Aussage der Bibel. Inwieweit müssen wir Ihrer Meinung nach als Christen nicht nur zur Politik nach Kopenhagen schielen, sondern auch selbst handeln?
Töpfer: Es ist eine ganz grundsätzliche Verpflichtung für einen Christen, sich klarzumachen, dass wir Schöpfung erhalten, weil es eine Schöpfung Gottes ist. Wir können nicht verlangen, dass die Schöpfung erst nachweisen muss, dass sie nützlich ist, bevor wir sie erhalten. Die Zahl der Tier- und Pflanzenarten nimmt drastisch ab, damit werfen wir Schöpfung weg. Und wir sehen, dass wir unseren Wohlstand massiv subventionieren auf Kosten der Ärmsten der Armen. Alles das sind keine Maßstäbe für eine christliche Verantwortung in dieser Welt. Wir können uns durchlesen, was Papst Benedikt XVI. in seiner ersten Enzyklika "Deus Caritas est" gesagt hat, wie wir uns in eine solche Verpflichtung hineinbegeben müssen. Auch und gerade als Christ ist es unumgänglich notwendig, dass wir diese Ausbeutung von Schöpfung nicht einfach hinnehmen und für die Zukunft nachdenken. Es wäre nicht verantwortbar und auch nicht christlich, wenn wir die Kosten unseres Wohlstand Andere oder kommende Generationen bezahlen lassen.