Boliviens Präsident Morales im Amt bestätigt

Gradliniger Andenpräsident

Boliviens alter und neuer Staatschef heißt Evo Morales. Für weitere vier Jahre wurde er gewählt - mit rund zwei Dritteln der Stimmen. Ein Mehrheit, die Dietmar Müßig "hellhörig" macht. Im domradio-Interview zweifelt der Bolivien-Experte vom Bistum Hildesheim an der künftigen Rechtsstaatlichkeit des Landes.

Autor/in:
Gerhard Dilger
Predigt gerne: Evo Morales (DR)
Predigt gerne: Evo Morales / ( DR )

"Das bolivianische Volk hat erneut Geschichte geschrieben. Unsere Zwei-Drittel-Mehrheit im Kongress zwingt mich dazu, den Prozess des Wandels zu beschleunigen", ruft Morales seinen Anhängern zu.

In der Tat ist das Wahlergebnis eine eindrucksvolle Bestätigung für den 50-Jährigen vom Volk der Aymara. Er war 2005 angetreten, um eine "Neugründung Boliviens", eine "demokratisch-kulturelle Revolution" einzuleiten. Gegen erbitterten Widerstand aus dem wohlhabenden Tiefland im Osten setzten seine Parteifreunde von der "Bewegung zum Sozialismus" (MAS) eine Verfassung durch, die der indianischen Bevölkerungsmehrheit mehr Rechte garantiert.

"Er ist einer von uns"
Auch sonst hielt Morales Wort: Den Anteil an den Erlösen aus der Erdgasförderung für den bolivianischen Staat erhöhte er von 27 auf bis zu 77 Prozent. Mit dem Geld führte er flächendeckende Sozialprogramme für Schüler, Rentner und Schwangere ein.

"Er ist einer von uns", sagt die Schuhverkäuferin Remigia Miguel aus dem Armenviertel Plan Tres Mil in der Tieflandmetropole Santa Cruz. Wie der Präsident hat die dunkelhäutige Frau oft Rassismus erlebt. Wie sie vertrauen Millionen Bolivianer auf Morales, von dessen Politik sie sich eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder erhoffen.

Sein Aufstieg vom armen Lamahirten aus dem kargen Andenhochland bis zum weltweit bewunderten Staatsoberhaupt ist bereits Legende. Drei seiner sechs Geschwister starben noch als Kinder. Seine Schulausbildung in der Provinzstadt Oruro finanzierte der junge Evo mit Jobs in Ziegeleien und Bäckereien. Nach einer großen Dürre zog seine Familie 1980 in das tropische Chapare-Tiefland, wo sie wie Tausende Neusiedler den Regenwald urbar machte und Koka anpflanzte.

Dauerkonflikt mit den Farmern und Unternehmern
Dort schaffte Morales den Aufstieg in der Gewerkschaft der Kokabauern. Der hoch gewachsene, redegewandte Aktivist organisierte Protestmärsche und Straßenblockaden. Er wurde angefeindet, mehrmals inhaftiert, einmal fast zu Tode geprügelt. 1997 zog Morales für die kurz zuvor gegründete MAS ins Parlament ein. Dass ihn seine konservativen Kollegen ausschlossen und der US-Botschafter gegen ihn polemisierte, steigerte seine Bekanntheit und Beliebtheit: Bei der Präsidentenwahl 2002 unterlag er nur knapp.

Drei turbulente Jahre später war es soweit: Im Dezember 2005 kam Morales bereits im ersten Wahlgang auf sensationelle 54 Prozent der Stimmen. Allerdings unterschätzte er die Autonomiebestrebungen mehrerer Provinzen, was ihm einen Dauerkonflikt mit den Farmern und Unternehmern aus dem ressourcenreichen Tiefland im Osten bescherte. Diese brachten Bolivien im September 2008 an den Rand eines Bürgerkriegs.

Doch mit Hilfe seiner südamerikanischen Kollegen, durch Verhandlungen mit kompromissbereiten Teilen der Opposition und nicht zuletzt mit Unterstützung von Kleinbauern und Gewerkschaftern ging Morales gestärkt aus der Krise hervor. Dass es ihm und seinen Mitstreitern gelingen wird, das neue "plurinationale" Staatssystem bis 2015 politisch und wirtschaftlich zu festigen, glaubt Morales wohl selbst noch nicht: Bei der Stimmabgabe am Sonntag deutete er an, dass er dann eine dritte Amtszeit anstreben könnte.