Straßburg: Deutsches Sorgerecht benachteiligt uneheliche Väter - ZdK begrüßt Urteil

"Gut für Väter und Mütter"

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof sieht in deutschen Sorgerechtsbestimmungen einen Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention. Es sei eine verbotene Diskriminierung, dass ein unehelicher Vater ohne Zustimmung der Kindesmutter kein gemeinsames Sorgerecht bekommen könne, entschieden die Straßburger Richter am Donnerstag. Auch das Recht auf Familienleben werde dadurch verletzt. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) begrüßte gegenüber dem domradio das Urteil.

 (DR)

In einer ersten Stellungnahme bewertet Vera Wassermann, Referentin für Familienpolitik im ZdK, das Urteil als Erfolg für "Väter, Mütter und Kinder". Die Rolle der aktiven Väter würde durch die Entscheidung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs gestärkt. Die Lebenswirklichkeit zeige zunehmend, dass Väter Erziehungsaufgaben aktiv wahrnehmen wollen, unabhängig davon, "ob sie verheiratet sind oder nicht".

Das Urteil, so Wassermann, bedeute unter dem Strich eine Stärkung der Familie. Ein "aktive partnerschaftliche Elternschaft zum Wohle der Kinder" würde nun betont. Für das Zdk sei die Ehe nach wie vor die "stabilste Lebensform für die Geburt und das Aufwachsen von Kindern". Das Urteil befürworte starke Eltern, eine starke Partnerschaft und auch eine starke Ehe. Insofern sei "keine Entwertung der Ehe" zu befürchten.

Die Organisation «Väteraufbruch» sagte dem epd am Donnerstag in Berlin, das Urteil sei ein Fortschritt, gehe aber nicht weit genug. Der deutsche Gesetzgeber müsse nun dafür sorgen, dass ledige Väter ein Sorgerecht erhielten, ohne es vor Gericht einklagen zu müssen, forderte Rainer Sonnenberger aus dem Bundesvorstand der Vätervereinigung.

Zehntausende Väter betroffen

Das Gericht gab mit Entscheidung der Klage eines Vaters statt. Er hatte geltend gemacht, gegenüber geschiedenen Eltern würden uneheliche Väter benachteiligt. Laut deutschem Familienrecht kann bei fehlender Vereinbarung zwischen den Eltern eine unverheiratete Mutter das Sorgerecht für sich allein beanspruchen.

In Deutschland klagten bereits viele Väter gegen Paragraf 1626a, der ein Sorgerecht für ein uneheliches Kind gegen den Willen der Mutter ausschließt. Weil sie immer wieder in allen Instanzen scheiterten, zog ein Betroffener vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Experten schätzen die in Deutschland betroffenen Väter auf Zehntausende.

Es sei nicht gerechtfertigt, dass eine Prüfung des alleinigen Sorgerechts der Mutter zum Schutz der Interessen des unehelichen Kindes ausgeschlossen werde, so das Menschenrechtsgericht, das mit einer Mehrheit von sechs zu eins Stimmen votierte. Zur Begründung führten die Straßburger Richter an, dass das deutsche Recht auch eine gerichtliche Überprüfung des Sorgerechts in Trennungsfällen vorsehe.

Bereits 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht von der Bundesregierung eine Überprüfung der Rechtslage sowie die Angabe einer Zahl betroffener Väter gefordert. Vor einem Jahr erklärte die damalige Justizministerin Brigitte Zypries (SPD), man sei in der Sache nicht wirklich weitergekommen und wolle die Prüfungsmethode nochmals neu hinterfragen. Im vergangenen Jahr gab das Ministerium ein Forschungsprojekt in Auftrag, das die Sorgesituation nicht miteinander verheirateter Eltern genauer untersuchen soll. Das Ergebnis soll 2010 vorliegen.

Dem Urteil zufolge muss die deutsche Justiz nun an einem neuen Gesetz arbeiten. Nur in Österreich, der Schweiz und Liechtenstein sieht die Rechtslage bislang ähnlich aus. In anderen europäischen Ländern haben ledige Väter mehr Rechte.