Demjanjuks Verteidiger fordern Einstellung des Verfahrens

Nur Schweigen

Am zweiten Tag des Kriegsverbrecherprozesses vor dem Landgericht München wirkt der Auftritt des mutmaßlichen Sobibor-Wachmanns John Demjanjuk noch theatralischer als am Vortag: Bereits zu Verhandlungsbeginn am Dienstagvormittag wird er auf einer Trage liegend und mit Decken umhüllt in den Saal geschoben - das aufrechte Sitzen scheint ihm überhaupt nicht mehr möglich. In dieser Stellung verharrt der 89-Jährige während des gesamten Vormittags.

 (DR)

Für die meisten Prozessbeobachter ist klar, der Auftritt soll dazu dienen, Demjanjuks schlechten Gesundheitszustand noch einmal zu unterstreichen. «Es gibt zwei Arten, Demjanjuk zu betrachten», sagt der Nebenkläger und Sobibor-Überlebende Thomas Blatt. «Für die einen ist er ein alter, kranker Mann, für mich ist er aber der, der Menschen in Gaskammern geschickt hat. Der Punkt ist, ich kann es nicht beweisen, diesen Beweis muss hier das Gericht erbringen.»

Bis das Gericht aber in die Beweisaufnahme eintreten kann, dauert es. Zunächst wird auch die Verlesung der Anklageschrift verzögert. Verteidiger Ulrich Busch stellt Anträge auf Einstellung beziehungsweise wie schon am Vortag auf Aussetzung des Verfahrens. Der Anwalt sagt, Demjanjuk sei bereits in Israel für dieselben Taten angeklagt und verurteilt worden, die nun in München zur Verhandlung stehen. Zudem sei die «Zwangsdeportation» des Angeklagten von den USA nach Deutschland im Mai illegal gewesen und das Verfahren in München somit nicht zulässig.

Busch veweist darauf, dass bereits in mehreren Ländern Ermittlungsverfahren gegen Demjanjuk angestrengt und wieder eingestellt worden seien: «Es ist ein juristisches Faszinosum, dass eine Vielzahl von Richtern keinen Tatverdacht erkennen kann, die Staatsanwälte in München aber aus demselben Beweismaterial einen erdrückenden Tatverdacht herleiten wollen», sagt der Anwalt. 45 Minuten nimmt allein die Verlesung dieser Anträge in Anspruch.

«Hier wird ganz klar auf den Effekt der Verzögerung gesetzt», kritisiert Nebenklagevertreter Michael Koch. «Das werden wir jetzt wohl an jedem Prozesstag zu erwarten haben.» Der Vorsitzende Richter Ralph Alt vertagt die Entscheidung über die Anträge und rügt zunächst die anwesenden Journalisten dafür, dass einige von ihnen während der langwierigen Antragsverlesung Zeitung lesen.

Schließlich kommt es vor der Mittagspause und nach einer erneuten Überprüfung von Demjanjuks Gesundheitszustand doch noch zur Verlesung der Anklageschrift: Die Staatsanwaltschaft wirft Demjanjuk Beihilfe zum Mord in 27 900 Fällen vor. Vor 66 Jahren, im Sommer 1943, soll er im deutschen Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen Tausende Juden aus Deportationszügen in die Gaskammern getrieben haben.

Nach der Verlesung der Anklage sind die im Saal anwesenden Überlebenden der Vernichtungslager sowie die Angehörigen der Holocaust-Opfer tief erschüttert, einige können ihre Tränen nicht zurückhalten. Demjanjuk jedoch schweigt zu den Vorwürfen. Er lässt durch seinen Anwalt Busch erklären, er wolle von seinem Recht Gebrauch machen, keine Angaben zur Sache zu machen.