Ziviler Friedensdienst feiert zehnjähriges Bestehen

Kleine Schritte zur Versöhnung

Der Frieden in Bosnien-Herzegowina ist brüchig. Zwar schweigen die Waffen, seit das Land auf dem Balkan vor 14 Jahren im Abkommen von Dayton neu aufgeteilt wurde. Aber die drei Volksgruppen - muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben und katholische Kroaten - driften mehr und mehr auseinander. Um Verständigung zwischen den Volksgruppen bemüht sich der Zivile Friedensdienst aus Deutschland, der am Donnerstag sein zehnjähriges Bestehen feierte.

 (DR)

Erbauer einer Friedensordnung in Bosnien sind diejenigen, die den Krieg im ehemaligen Jugoslawien am besten kennen: Soldaten aller drei Volksgruppen. Eine wachsende Gruppe von Veteranen stellt sich ihren eigenen Verbrechen und sucht Gespräche mit den ehemaligen Feinden. Ähnliche Verständigung initiiert und unterstützt der ZFD in vielen Ländern in einer Kriegs- oder Nachkriegsphase, etwa in Ruanda, im Kongo oder in Sierra Leone.

Über 500 Männer und Frauen leisteten in den vergangenen zehn Jahren in 50 Ländern Friedensdienst im Auftrag des ZFD. Den weiteren Bestand des ZFD macht der neue Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) von einer Überprüfung der Arbeit abhängig. Das Ministerium fördert das Programm bisher mit jährlich wachsenden Zuschüssen, dieses Jahr mit 30 Millionen Euro.

«Hier stand Radovan Karadzic und befahl seinen Scharfschützen, auf die Passanten in Sarajevo zu schießen», sagt Nermin K. Er steht vor einer Beton-Ruine hoch über der bosnischen Hauptstadt. Während der Olympischen Winterspiele 1984 war an dieser Stelle die Bergstation der Rodelbahn. 1992 wurde der Aussichtspunkt zum Schießplatz: Von dort aus belagerten Soldaten der bosnischen Serben Sarajevo mehr als drei Jahre lang und erschossen Bewohner auf Straßen, Balkonen oder Flachdächern. Etwa 12.000 Menschen starben von 1992 bis 1995 während der längsten Belagerung einer Stadt in Europa.

Nermin K. war bei Beginn des Krieges 19 Jahre alt und - wie die meisten bosnischen Männer - kein Soldat. Er wurde in eine Uniform gesteckt und sollte auf der Seite der Muslime die Stadt verteidigen. «Als junger Mann fand ich das sogar toll», sagt er. Heute kann er sich diese Begeisterung nicht mehr vorstellen. Er beteiligt sich am Programm des «Zentrums für gewaltfreie Aktion» (CNA) in Sarajevo, das der ZFD unterstützt.

«Meine Erfahrungen aus dem Krieg befähigen mich dazu, für den Frieden zu arbeiten,» sagt in der kleinen Küche des CNA-Büros bei vielen Zigaretten Adnan Hasambegowicz. Der 37-Jährige war auch bosnischer Soldat. Heute leitet er Gesprächskreise, in denen ehemalige Soldaten lernen, ihre traumatischen Erlebnisse zu besprechen und persönliche Schuld zu erkennen. Ein Jahr dauert dieser Prozess. Danach seien sie in der Lage, mit Männern zu reden, die im Krieg ihre Gegner waren, sagt Hasambegowicz.

Die vielen traumatisierten Soldaten hält er für ein großes Problem der bosnischen Gesellschaft: «Wenn sie nicht für den Frieden arbeiten, dann arbeiten sie dagegen.» Und das sei gefährlich in einem Land, das auseinander zu fallen drohe. Bosnien-Herzegowina wurde in Dayton in drei Teile geteilt: eine Republik der bosnischen Serben, eine Förderation der Kroaten und muslimischen Bosniaken sowie ein drittes, kleines Gebiet im Norden, das neutral ist.

Vor allem in der Föderation gibt es in einigen Städten eine strikte Trennung der Volksgruppen. Schulen haben zwei Eingänge, einen für kroatische Kinder, einen für bosniakische. Ihre Lehrpläne sind strikt getrennt. Das Zentrum für gewaltfreie Aktionen richtete in einigen dieser Städte Jugendzentren für alle Volksgruppen ein. Dennoch sagt Leiterin Tamara Smidling: «Wir sind wirklich am Rande eines sehr ernsten Konflikts, weil wir als Gesellschaft bisher keine politischen Lösungen unserer Probleme gefunden haben.» Deshalb sei die Unterstützung aus Deutschland für alle Versuche der Verständigung so wichtig.

Der Zivile Friedensdienst (ZFD) wurde 1999 von der rot-grünen Bundesregierung gegründet. Darin sind acht Organisationen zusammengeschlossen, darunter darunter der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), der Deutsche Entwicklungsdienst (DED) und die katholische Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH). Entwicklungsminister Niebel will zwar erst nach einer systematischen Untersuchung der ZFD-Arbeit entscheiden, ob es den Friedensdienst weiter geben soll. Zum Festakt am Donnerstag in Berlin hat er sich aber als Redner angekündigt.

Hoch über Sarajevo, wo früher die Scharfschützen standen, zeigt Nermin K. derweil auf ein Zeichen von Normalität: Mit dicken Pinselstrichen ist auf die Betonruine geschrieben worden: «David, ich liebe Dich.» Das kann man jetzt hoch über Sarajevo wieder sagen.