Kirche schaltet sich in Debatte um Buschkowsky und Betreuungsgeld ein

"Bösartige Pöbelei"

Der Streit um die Kritik des Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky am geplanten Betreuungsgeld weitet sich aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies am Mittwoch im Sender N24 in Berlin die Äußerungen zurück, das ab 2013 vorgesehene Geld werde von Eltern aus ärmeren Bevölkerungsschichten zweckentfremdet. Auch von katholischer Seite erntet Buschkowsky heftigen Protest.

 (DR)

Der Vorsitzende des Familienbunds der Katholiken in Bayern, Johannes Schroeter, sprach in München von einer "bösartigen Pöbelei". Dass in der Familie geleistete Erziehungsarbeit etwas wert sei, übersteige offenbar die Vorstellung mancher Zeitgenossen, so Schroeter. Das angekündigte Betreuungsgeld bringe offensichtlich latenten Hass auf Eltern zum offenen Ausbruch. Die in Aussicht gestellten 150 Euro pro Monat entsprächen bei einer Rundumversorgung von Kleinkindern einem Stundenlohn von 21 Cent. "Wir verbitten uns pauschale Herabsetzungen und Entwürdigungen der Eltern. Sie leisten Großes für ihre Kinder und die ganze Gesellschaft", so Schoeter. 100 Milliarden Euro Unterhaltsleistungen bringen die Eltern in Deutschland jährlich für ihre Kinder auf, zusätzlich zu ihren Steuerzahlungen und Sozialabgaben. Für ihre Kinder sind sie unersetzliche Bezugspersonen.

Als absurd bezeichnete Schroeter die Vorstellung, Kinder in Einrichtungen gesellschaftlich integrieren zu können, deren Eltern sie auf das massivste beschimpften und herabwürdigten. Schroeter: "Gegen die Eltern läuft gar nichts."

Familienverband wehrt sich gegen Generalverdacht
Auch Deutsche Familienverband hat den Generalverdacht gegenüber Familien bei der Diskussion über das Betreuungsgeld entschieden zurückgewiesen. Der Verband zeigte sich am Donnerstag in Berlin "erschüttert" darüber, wie hierbei Grundlagen der Gesellschaft und das Grundgesetz missachtet würden. Die Erstverantwortung für die Erziehung und Betreuung der Kinder liege laut Verfassung bei den Eltern, betonte Verbandspräsident Albin Nees.

"Der weitaus größte Teil der Eltern nimmt hoch engagiert und völlig selbstverständlich die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht der Erziehung ihrer Kinder wahr", sagte Nees. Wo dies nicht geschehe, müsse der Staat sein Wächteramt ausüben. "Wer Millionen Eltern Erziehungswillen und Erziehungskompetenz abspricht, ihnen den Missbrauch des Betreuungsgeldes unterstellt und die Wahlfreiheit versagt, erklärt den Bankrott seiner eigenen Ordnungs- und Gesellschaftspolitik und handelt verantwortungslos".

Der Staat müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Eltern frei entscheiden könnten, wie sie die Erziehung ihrer Kinder gestalten wollen, betonte der Verband. Dazu gehöre sowohl ein finanzieller Lastenausgleich wie die Bereitstellung von öffentlichen Betreuungsplätzen. Alle Betreuungsformen seien gleichwertig zu fördern. Die Entscheidung müsse bei den Eltern liegen. Das Betreuungsgeld sei dabei ein "kleiner aber wichtiger Schritt für Eltern, die ihr Kind in den ersten drei Lebensjahren zu Hause betreuen wollen", sagte Nees.


Der Neuköllner Bezirksbürgermeisters Buschkowsky hatte am Mittwoch auf N24 unter anderem gesagt, das Betreuungsgeld werde in bestimmten deutschen Schichten ohnehin nur "versoffen" oder zum Zusatzeinkommen von Migrantenfamilien, das nicht der Förderung der Kinder diene. Er hatte damit eine Debatte über das Regierungsvorhaben ausgelöst, ab
2013 monatlich 150 Euro an Familien zu zahlen, die unter dreijährige Kinder zu Hause betreuen.

Merkel: Gutscheinlösung überlegen
Merkel betonte, sie wolle Wahlfreiheit für Eltern. Diese sollten sich entscheiden können, ob sie ihre Kinder zu Hause erziehen. In dem Fall sollten sie "nicht per se benachteiligt werden gegenüber denen, für die die Steuerzahler sehr, sehr viel Geld aufwenden, um Kinderbetreuung finanzieren zu können". Ein gut gestaltetes Konzept werde "ein Mehr für Familien sein und auch ein Mehr für Bildung." Union und FDP wollen ab 2013 monatlich 150 Euro an Familien zahlen, die unter dreijährige Kinder zu Hause betreuen. Merkel sagte, ein Missbrauch könne verhindert werden. "Für Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel wollen wir überlegen, ob wir Gutscheine anbieten. Zum Beispiel für Bildung der Kinder oder für den Besuch bestimmter Einrichtungen.

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) nannte Buschkowskys Kritik "unverantwortlich". Das werde der Lebenswirklichkeit in Deutschland nicht gerecht. Es gebe zwar solche Fälle, räumte Bosbach ein. Er bestreite aber, "dass sich alle so verhalten".

Ebenso erklärte die bayerische Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), Buschkowsky diffamiere pauschal alle Hartz-IV-Empfänger-Familien und Migranten. Dies sei "in hohem Maße arrogant", sagte sie der in Hamburg erscheinenden "Financial Times Deutschland" (Donnerstag). Zugleich kritisierte Haderthauer die Liberalen. Es sei "absurd", dass die FDP bei Asylbewerbern das Sachleistungsprinzip zugunsten von Bargeld abschaffen wolle, jungen Familien hingegen keinen vernünftigen Umgang mit Geld zutraue und auf Gutscheine bestehe.
Auch Zustimmung
Hingegen unterstützte der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrates, Bert Rürup, Buschkowskys Vorwurf vom "Rückfall in ein antiquiertes Familienbild". Mit dem Betreuungsgeld hätten junge Frauen weniger Anreiz, berufstätig zu sein, zitierte ihn die FTD. Maßnahmen wie Elterngeld oder Ausbau der Kinderbetreuung würden so konterkariert. Auch Thomas Rauschenbach, Präsident des Deutschen Jugendinstituts (DJI), bezeichnete das Betreuungsgeld in der Zeitung als "falschen Impuls" für ärmere Familien, ihre Kinder von der Betreuung abzumelden.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, äußert Verständnis für Buschkowsky. Das Betreuungsgeld "ist in jedem Fall ein Fehlanreiz für Familien mit geringem Einkommen", sagte Oppermann der "Passauer Neuen Presse". "Die Äußerungen des Bürgermeisters sind nicht korrekt, aber auch nicht lebensfremd", sagte Oppermann. "Für Kinder ist es wichtig, dass sie mit anderen Kindern zusammen sind und sich soziale Kompetenz aneignen", betonte der SPD-Politiker. Daher sei es "bildungspolitisch falsch, eine Prämie dafür zu zahlen, dass die Kinder zu Hause bleiben". Nach Ansicht Oppermanns wäre es fatal, wenn "jetzt die Kinder zu Hause bleiben, die auf Chancen der Betreuung und gemeinsamen Erziehung angewiesen wären ob aus der deutschen Unterschicht oder aus Einwandererfamilien". Er nannte das Betreuungsgeld "eine Prämie für die Bildung von Parallelgesellschaften".

Zehn Millionen Deutsche von Armut bedroht
In Deutschland sind laut dem Statistischen Bundesamt über 10 Millionen Menschen und damit 13 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht. Unter ihnen befinden sich 1,7 Millionen Kinder. Als gefährdet gilt, wer mit 856 Euro in Monat auskommen muss.

Für die Wissenschaftler sind Menschen von Armut bedroht, die mit 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens auskommen müssen. Dieses beträgt 1427 Euro, 60 Prozent entsprechen demnach 856 Euro. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren liege die Armutsgefährdungsgrenze bei 1798 Euro. Bei einer alleinerziehenden Mutter mit einem Kind unter 14 Jahren seien es 1113 Euro.