Am Kölner Dom sang vor 20 Jahren zum ersten Mal der Mädchenchor

"Eine ganz bestimmte Lebensform"

Im Herbst 1989 gründete Domkapellmeister Eberhard Metternich den Mädchenchor am Kölner Dom, später übernahm Oliver Sperling die Leitung. Zum 20-jährigen Jubiläum spricht der Domkantor im domradio-Interview über die kleine Konkurrenz und großen Gemeinsamkeiten mit den anderen Domchören und die bevorstehende Feierwoche.

Osternacht: Es singt der Mädchenchor am Kölner Dom  (DR)
Osternacht: Es singt der Mädchenchor am Kölner Dom / ( DR )

domradio: Da ist immer die Rede davon, dass die Jugend keine Lust mehr hat auf Ehrenamt und auf Kirche auch immer weniger und Sie haben so viele Sängerinnen - was motiviert die Mädchen, doch erheblich viel Zeit in diesen Chor zu investieren?
Sperling: Unsere Kinder wachsen da einfach rein, sowohl die Knaben als auch die Mädchen. Und jetzt ist es so, dass es einfach eine ganz bestimmte Lebensform wird. Die kommen manchmal mit dem Interesse, weil sie auch wissen, dass die Musik eine bestimmte Qualität hat. Sicherlich auch mit dem Ziel, sich in der Kirche zu engagieren. Die kommen halt schon mit einem Alter von vier, fünf Jahren und wachsen da einfach rein. Ansonsten sind sie genauso Mädchen und Jungs wie andere auch, die surfen genauso lange im Internet - aber sie engagieren sich halt ganz konzentriert in der Woche mit zwei bis drei Proben in der geistlichen Musik im gemeinsamen Gesang. Es ist natürlich auch eine große musikalische, religiös-liturgische Komponente, aber eben auch eine soziale. Das ist  die Motivation. Auch wenn es einem vielleicht auch mal nicht so gut geht. Ich höre immer wieder und die Erfahrung habe ich auch gemacht: Wenn man mal keine Lust hat und dennoch zur Probe geht, verlässt man sie beschwingter.

domradio: Mädchen kommen ja nicht in den Stimmbruch, wie alt sie denn?
Sperling: Die Mädchen, die regelmäßig im Dom singen, sind zwischen 10 und 20 Jahre alt, quasi vom vierten Schuljahr bis zum Abitur. Was sich geändert hat in den vergangenen Jahren, vielleicht dem wachsenden schulischen und beruflichen Leistungsdruck geschuldet: Studenten, die in Köln geblieben sind, haben es früher noch versucht, weiterhin zu den Proben zu kommen. Heute ist es so, dass es mit dem Ausscheiden aus der Schule dann auch Schluss ist.

domradio: Warum gibt es eigentlich erst seit 20 Jahren einen Mädchenchor?
Sperling: Das ist eine ganz bestimmte Entwicklung. Eine Entwicklung, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnen hat. Und eine Entwicklung, die einfach mehr Zeit brauchte, auch bei den Chören anzukommen. In Köln ist der Chor wirklich gewachsen, mit einer gesunden Konkurrenz zum Knabenchor, aber auch mit dem Bewusstsein, dass man zusammengehört und dass man gemeinsam auch mit den Erwachsenenchören für die Kölner Dommusik dasteht.

Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge.

Hintergrund
Christlichen Glauben verkündigen und kulturelles Leben gestalten - diese Aufgaben übernimmt der Mädchenchor am Kölner Dom seit 1989 immer wieder im gemeinsamen Singen.

Die Gottesdienste und Konzerte in der Kathedrale von Köln sind für den Mädchenchor am Kölner Dom Zentrum des gemeinschaftlichen Singens. Gerne sind die jungen Sängerinnen aber auch außerhalb des Kölner Domes zu Gast, ob in der benachbarten Kölner Philharmonie oder in der Kölner Oper, in Kirchen, Museen oder Konzertsälen.

Geistliche Chormusik unserer Zeit von Komponisten aus unterschiedlichen Kulturkreisen bestimmen den Großteil der Chorliteratur, vornehmlich A-cappella-Chorwerke. Ansonsten gehören Romantik und Renaissance zu den Epochen-Schwerpunkten. In der begleiteten Chormusik sind vor allem die Orgel, gelegentlich das Klavier, sehr gerne die Harfe, aber auch Streicher- und Bläser-Ensembles bis hin zum vollen Orchester die instrumentalen Partner, in Köln oftmals das "Gürzenich-Orchester Köln" oder das "WDR Sinfonieorchester Köln".

Erfolge bei Wettbewerben kann der Mädchenchor am Kölner Dom mit jeweils 2. Preisen beim Deutschen Chorwettbewerb 1998 und 2002 sowie beim International Christmas Carol Contest 2002 im finnischen Turku vorweisen. Im medialen Bereich kommen Mitwirkungen bei Rundfunk- und TV-Sendungen sowie CD-Produktionen hinzu. Im November 2009 hoffen die Sängerinnen, sich zum dritten Mal für den 8. Deutschen Chorwettbewerb 2010 qualifizieren zu können.

Neben seiner Reisetätigkeit durch ganz Deutschland hat der Mädchenchor am Kölner Dom bisher Auslandsreisen nach England, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Österreich, Italien, Finnland, Israel (2005/06) und Polen (2007) unternommen. Mit der Konzerteise vom 03. bis 13. Juli 2009 waren die Sängerinnen aus Anlass des 35. Internationalen Chorfestivals PUERI CANTORES Stockholm erstmals in Schweden zu Gast. Im August 2010 wird der Mädchenchor am Kölner Dom erstmals nach Argentinien reisen und in den Städten Buenos Aires, Tucuman und Mendoza konzertieren.

Festwoche
Die Woche vom 27. Oktober bis 01. November 2009 steht ganz im Zeichen der Chormusik für Mädchenchöre.

Jeweils um 20.00 Uhr finden folgende drei Konzerte im Rahmen der geistlichen Musik am Dreikönigsschrein im Kölner Dom statt:

Dienstag, 27.10.2009, Mädchenchor am Kölner Dom, Leitung: Oliver Sperling (domradio zeichnet das Konzert auf und sendet es am 22. November 2009 abends um 20 Uhr in der Sendung Musica)
Freitag, 30.10.2009, Mädchenkantorei am Würzburger Dom, Leitung: Judith Schnell

Samstag, 31.10.2009, Mädchenkantorei des Rottenburger Domes, Leitung: Frank Leenen

Im Pontifikalamt zum Fest Allerheiligen am Sonntag, 01.11.2009 um 10.00 Uhr im Kölner Dom singen alle o.a. drei Mädchenchöre gemeinsam die „Missa in A-Dur" von Josef Gabriel Rheinberger sowie Liedsätze und Motetten. Die befreundeten Chöre aus Würzburg und Rottenburg sind in den Familien des Mädchenchores zu Gast und werden neben dem gemeinsamen Singen natürlich auch typisch kölsche Gastfreundschaft erleben.

Für den Kammerchor des Mädchenchores am Kölner Dom heißt es dann nur eine Woche später „volle Konzentration" am 07.11.2009 beim 8. Landeschorwettbewerb NRW in der Trinitatiskirche Bonn.