Frauenrechtlerin kritisiert Forderung nach schulfreiem Islam-Feiertag

"Hier geht es nicht um Pluralität"

Die türkischstämmige Frauenrechtlerin Seyran Ates nennt die Forderung nach einem schulfreien muslimischen Feiertag ein "falsches Signal", das Fremdenfeindlichkeit schüre. Den Verantwortlichen wirft sie im domradio-Interview vor, sie strebten eine Vormachtstellung gegenüber anderen nicht-christlichen Religionsgemeinschaften an.

 (DR)

domradio: Warum lehnen Sie die Forderung ab?
Ates: Dieser Wunsch setzt deshalb ein falsches Signal, weil damit Integration nicht gefördert sondern behindert wird, dass Ängste geschürt werden. Im Gegenteil, dass Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zunehmen bei Menschen, die sich gar nicht mit Religion auskennen und immer nur mitbekommen: die Türken, die Muslime stehen so im Vordergrund in der Integrationsdiskussion, die wollen immer mehr, und jetzt sollen Christen und Juden und andere Religionsgruppen auch noch einen muslimischen Feiertag mitfeiern? Wenn wir in einer Pluralen Gesellschaft leben, müssten andere Religionsgruppen auch Beachtung finden. Die Sonderstellung für Muslime stößt bei vielen Menschen leider schlecht auf.

domradio: Sie sprechen beim Zeitpunkt der Forderung außerdem von Kalkül...
Ates: Ausgerechnet jetzt, da die Diskussion um Herrn Sarrazin geführt wird, kommt diese Forderung. Immer wenn man das Gefühl hat, da ist wieder ein Schlag passiert, bei dem man vielen Menschen im Land Rassismus vorwerfen kann, kann man wieder etwas fordern, womit wieder Gutmachung geleistet werden kann dafür. Das sind Trittbrettfahrer, die diese Chance nutzen, um weitergehende Forderungen für sich in Anspruch nehmen.

domradio: Würden Christen Ähnliches in der Türkei fordern - wie würden da die Reaktionen ausfallen?
Ates: In der Türkei wäre ein großer Aufruhr. Es ist erst kürzlich eine Studie veröffentlicht worden, nach der 50 Prozent der Menschen in der Türkei sagen, sie möchten nicht neben Christen oder Juden wohnen. Und die türkische Regierung hat sich erschrocken über die eigene Studie geäußert!

domradio: Ist es in Ordnung, dass in Deutschland Feiertage christlichen Ursprungs sind?
Ates: Wir leben in einer christlich-jüdisch-abendländischen Kultur. Jeder Mensch, der nach Deutschland kommt, weiß, dass dieses Land zum großen Teil christlich ist, bzw. in den letzten Jahrzehnten so sehr religiös nach außen getragen gelebt hat. Das muss man wissen, wenn man hier herkommt. Wenn ich nach Saudi-Arabien ziehe, weiß ich, dass ich in einem islamischen Land lebe. Warum muss Europa immer wieder einknicken mit seiner eigenen Religiosität. Wer Religionsfreiheit fordert und Respekt vor Religionen einfordert, muss doch auch respektieren, dass Deutschland ein christliches Land ist. Wenn wir die Pluralität der Religionen, die jetzt zunimmt, ebenso respektieren wollen, dann müssen wir uns zu allen Religionen plural verhalten. Wer fordert einen jüdischen Feiertag? Ich finde es nicht glaubwürdig, wenn Muslime, die jetzt einen muslimischen Feiertag fordern, nicht im gleichen Atemzug die Frage stellen: Warum gibt es nicht schon lange einen jüdischen Feiertag? Diesen Muslimen geht es nicht um Pluralität, ihnen geht es um eine Vormachtstellung.