Der kirchenpolitische Sprecher der Grünen über gemeinsame und unterschiedliche Positionen seiner Partei mit der Katholischen Kirche

Der "Green Deal" mit den Katholiken

Man wolle beim Widerstand gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke auch mit den Kirchen zusammenarbeiten, kündigten die Grünen zu Beginn der Woche an. Auch in Fragen der Sozialpolitik seien die Positionen vergleichbar, sagt Josef Winkler. Im domradio-Interview findet der kirchenpolitische Sprecher der Grünen weitere Gemeinsamkeiten, betont aber auch die Unterschiede.

 (DR)

domradio: Wo liegen die Gemeinsamkeiten von Grünen und Katholischer Kirche?
Winkler: Wenn ich mir durchlese, was das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken in ihrem Positionspapier jetzt noch mal an Union und FDP in ihren Koalitionsverhandlungen geschickt hat, kann ich sagen: Der Forderungskatalog hätte in wesentlichen Punkten auch von der Grünen-Fraktion kommen können. Was natürlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dafür sorgen wird, dass er nicht vollständig aufgegriffen werden wird.

domradio: Ein Beispiel?
Winkler: Beim Atomausstieg ist ja bereits Einiges ins Wanken gekommen. Ich bin gespannt, ob im Bereich der Sozialpolitik die Forderungen der Kirchen aufgegriffen werden. Zum Beispiel dass die Entgeldgleichheit für Frauen und Männer endlich durchgesetzt wird; dass wir im Bereich der Flüchtlingspolitik vorankommen. In dem Fall müsste sich ja - was selten der Fall ist - die FDP an die Seite der Kirchen stellen, weil da bei der CDU nichts zu holen ist.

domradio: Wie sieht es aus im Bereich Stammzellenforschung?
Winkler: Wir haben da sehr eng kooperiert. Und es war ja klar, dass unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel, einer Naturwissenschaftlerin, die überhaupt im Bereich Gentechnik weit vorangehen wollte, dass es da schwierig werden würde, diese Position zu halten. Aber letztlich war ja die Umkehr von Frau Schavan und anderen daran schuld - die war ja damals noch im ZDK und ist dann aus gutem Grund nicht mehr angetreten zur Neuwahl - die das Ganze ins Rutschen gebracht haben. Ich kann nur sagen: Wer den Stichtag einmal verschiebt, wird ihn auch noch mal verschieben. Die Argumente sind quasi wieder verwertbar, man muss nur die Jahreszahl in den Anträgen aktualisieren. Ich habe das für einen schweren Fehler gehalten. Und waren wir uns einig mit der Katholischen Kirche. Und wenn ich mich richtig erinnere, hat das auch Erzbischof Zollitsch im Gespräch mit unserem Bundesvorstand sehr deutlich gemacht, dass die Bischofskonferenz sehr unzufrieden mit der Union und in dem Fall zumindest sehr zufrieden mit der Position der Grünen war.

domradio: Sie hatten sich sehr zufrieden zu der Sozialenzyklika des Papstes geäußert, welche Punkte haben Ihnen da besonders gefallen?
Winkler: Wir haben uns gefreut, dass der Papst das, was wir Grüne "Green New Deal" nennen - und was der UNO-Generalsekretär wahrscheinlich nicht nach Lektüre unseres Europawahl-Programms auch so formuliert hat - in allen wesentlichen Punkten der Enzyklika vorgefunden haben. Denn die Umweltfrage ist letztlich auch eine soziale Frage, weil sie eben durch Umweltzerstörung und natürlich auch in das Leben der Menschen auf der Welt eingreift. Und da hat der Papst klare Vorgaben gemacht, wie aus Sicht der Katholischen Kirche ein Wirtschaftssystem gestaltet werden muss und ein Sozialsystem, mit gleichzeitiger Generationengerechtigkeit, mit gleichzeitigem im Auge behalten der Bewahrung der Schöpfung. Das ist sicherlich aus theologischer Sicht anders begründet, nicht direkt tagespolitisch, aber es deckt sich fast inhaltsgleich mit den entsprechenden Passagen aus unserem Programm.

domradio: Das klingt alles sehr harmonisch, gibt es denn auch Konflikte zwischen Ihrer Parteipolitik und kirchlichen Positionen, die Sie ganz klar sehen und wo Sie sagen, da muss sich noch was ändern?
Winkler: Das ist natürlich ganz klar: Für die Grünen ist im Bereich der Familienpolitik die Position nicht mehr vertretbar, dass man die Ehe besonders schützen und steuerlich privilegieren muss, das ist natürlich eine große Differenz. Weil wir sagen, es geht uns nicht darum, dass die Leute heiraten, und der Staat kann eigentlich nicht daran ein Interesse haben. Die Kirche darf das ja gerne haben. Es geht darum, dass die Leute Kinder bekommen und diese Kinder unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen. Das müsste steuerlich privilegiert werden - und nicht das Heiraten und dann keine Kinder kriegen. Das ist eine klare Differenz. Eine weitere: der Umgang mit Homosexuellen. Bei der Katholischen Kirche ist ja das höchste der Gefühle, dass man mit Mitleid und Respekt begegnet, während wir natürlich sagen, das ist eine ganz normale sexuelle Ausprägung, die sich eben von der heterosexuellen unterscheidet.

domradio: Als Grüner und ZdK-Mitglied - wie sehen Sie das C in der CDU als katholische Volkspartei?
Winkler: Da kann ich ja auf die Äußerung von Kardinal Meisner verweisen, der ja ganz klar gesagt hat, die CDU soll doch bitte das C aus ihrem Namen streichen, sie verdiene es nicht mehr. Ich befasse mich selber seit sieben Jahren im Innenausschuss mit Flüchtlingsfragen. Abgesehen von den 2.500 Irakflüchtlingen im letzten Jahr ist die CDU dort sehr unbarmherzig, und selbstverständlich kann man das auch unchristlich nennen.