Krisenhelfer über die Lage in Indonesien eine Woche nach dem Erdbeben

"Geschockt und aktiv"

Fünf Tage nach dem schweren Erdbeben in Indonesien haben Rettungsmannschaften die Hoffnung aufgegeben, in der Großstadt Padang weitere Überlebende zu finden, bestätigt auch Rainer Lang, der für die Diakonie Katastrophenhilfe im Krisengebiet unterwegs ist. Im domradio-Interview beschreibt er, wie sich die Menschen vor Ort zwischen Schock und Aktionismus bewegen.

 (DR)

domradio: Wie ist die Lage vor Ort?
Lang: Ich bin gerade mit einem unserer medizinischen Teams unterwegs. Vor ein paar Stunden haben wir Medikamente in ein Dorf gebracht. Gerade schauen wir uns in einem anderen Dorf um, wie die gesundheitliche Lage ist. Das ist sehr schwierig, weil die Gesundheitsstation zerstört wurde. Das Wasser ist von sehr schlechter Qualität, wir stehen gerade an der Wasserquelle. Die gesundheitliche Situation hat sich sehr stark verschlechtert nach den Erdbeben. Viele Menschen müssen im Freien übernachten, die bekommen Atemwegsinfektionen und Hautkrankheiten.

domradio: Gibt es noch Hoffnung bei der Suche nach Überlebenden?
Lang: Ich habe mit mehreren Menschen an mehreren Orten gesprochen. Klar ist: Unter bestimmten zusammengebrochenen Gebäuden liegen noch immer Leichen, also eigentlich nur noch Tote, die geborgen werden können.

domradio: Wie geht es den Menschen, die sie gerade erleben?
Lang: Ich erlebe die Menschen einerseits erstaunlich aktiv. Sie versuchen in ihren Häusern, die zusammengestürzt sind, schon wieder zu arbeiten und die Trümmer beiseite zu räumen. Andererseits ist auf den Dörfern noch sehr wenig Hilfe angekommen. Die meisten Menschen sind ohne Plastikplanen, können sich kein provisorisches Quartier machen. Da ist die Lage noch sehr kritisch und sehr unübersichtlich. Und dort sollte sehr schnell etwas passieren, weil sich das Wetter hier auch verschlechtert. Täglich gibt es sehr starke Regenfälle, Krankheiten können sich leicht weiterverbreiten. Was ich auch erlebe: Menschen, die wirklich einen Schock erlitten haben. Kinder zum Beispiel, die das nicht so schnell verarbeiten, da gibt es zur Zeit keine Hilfe für solche Traumafälle, alles ist noch darauf konzentriert, die Verletzten zu behandeln.     

domradio: Die Hilfsorganisationen sind vor Ort - wie helfen Sie den Menschen?
Lang: Wir sind mit unseren Mobilkliniken in den Dörfern unterwegs. Wir haben in den vergangenen Tagen noch auf den Dörfer schwer Verletzte in die Kliniken gebracht. Jetzt geht es darum, die gesundheitliche Situation zu stabilisieren. Andererseits kümmern wir uns darum, dass schnell etwas geschieht bei den Notunterkünften. Und wir schauen auch, dass die hygienische Situation in Ordnung ist. Sehr wichtig ist zum Beispiel bei starken Zerstörungen, dass provisorische Toiletten errichtet werden.

domradio: Wie sieht es denn aus mit der Gefahr von Krankheiten, wie ist die medizinische Versorgung?
Lang: Die Menschen haben schnell Atemwegsinfektionen. Das ist eine Gefahr für Kinder und ältere Menschen, da diese nicht so starke Abwehrkräfte haben. Die Krankheiten müssen jetzt im Anfangsstadium gleich behandelt werden.

domradio: Sie sind seit Samstag da, wie geht es ihnen selber, wenn sie das selbst erleben und sehen, bis dahin, dass sie auch noch Tote bergen?
Lang: Ich denke, es muss jetzt schnell etwas passieren, im großen Maßstab, gerade mit den Notunterkünften, weil ich doch erschüttert bin über das Ausmaß der Zerstörung in den Dörfern. Da sind oft Gebäude wie Kartenhäuser zusammengestürzt.  Ich sehe ganze Dörfer völlig zerstört. Das ist wirklich ungewöhnlich, weil wenn man das Ausmaß der Zerstörung und der Katastrophe anschaut, dann ist die Zahl der Toten auf wunderbare Weise vergleichsweise gering. Das ist glücklichen Umständen zu verdanken, dass die meisten Menschen nicht in ihren Häusern waren. Das ist sehr positiv. Aber ich war gestern in Padang und habe mir dort die Zerstörungen angeschaut, dann hieß es da drunter sind mindestens noch 100 Menschen oder darunter vermutet man noch ein Dutzend Opfer. Also das ist dann schon ein eigenartiges Gefühl, wenn man weiß, wie stark die Menschen um ihre Angehörigen trauern.