Deutsche Bischöfe beenden Ökumene-Besuch im Heiligen Land

"Abstufung der Grund- und Bürgerrechte nicht hinnehmbar"

Mit einem Aufruf zur Unterstützung der Christen im Heiligen Land hat die Ökumene-Delegation der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag ihren Besuch in Jerusalem beendet. Im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur blicken die Bischöfe Müller, Mussinghoff und Feige auf die Reise zurück.

In Jerusalem: Die Bischöfe Müller, Musinghoff und Feige mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III.  (KNA)
In Jerusalem: Die Bischöfe Müller, Musinghoff und Feige mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, Theophilos III. / ( KNA )

"Die Christen hier sind in einer sehr schwierigen Situation: Sie sind eine Minderheit von etwa zwei Prozent, die außerdem aufgeteilt ist in zahllose Kirchen und Gemeinschaften", so der stellvertretende Bischofskonferenz-Vorsitzende, der Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff. Zusammen mit dem Vorsitzenden der Ökumene-Kommission der Bischöfe, dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, und dem Magdeburger Bischof Gerhard Feige als Vorsitzendem der Arbeitsgruppe "Kirchen des Ostens" war er vier Tage in Jerusalem.

KNA: Sie haben in den vergangenen Tagen Gespräche mit unterschiedlichen christlichen Führern im Heiligen Land geführt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Müller: Uns ging es bei diesem Besuch vor allem darum, ein Feld der Begegnung zu schaffen. Wir wollten zeigen, dass der Deutschen Bischofskonferenz die christliche Präsenz im Heiligen Land wichtig ist. Dabei dürfen wir uns nicht auf materielle Unterstützung beschränken, sondern auf kirchlicher und persönlicher Ebene klarmachen, dass wir solidarisch sind.

Mussinghoff: Die Christen hier sind in einer sehr schwierigen
Situation: Sie sind eine Minderheit von etwa zwei Prozent, die außerdem aufgeteilt ist in zahllose Kirchen und Gemeinschaften.
Viele wandern aus, vor allem weil es an Arbeitsmöglichkeiten fehlt. Eine ganz wichtige Ermutigung ist für sie die Anwesenheit von Pilgern aus aller Welt. Wir rufen darum alle Pilgergruppen auf, nicht nur die Heiligen Stätten zu besuchen, sondern auch Begegnungen mit einheimischen Gemeinden ins Programm zu nehmen.

KNA: Welche besondere Bedeutung haben die christlichen Gemeinschaften hier für die Weltkirche?
Mussinghoff: Jerusalem ist für uns nicht nur irgendeine Stadt, sondern als Ort der Heilstaten Jesu von einzigartiger Bedeutung. Die christlichen Gemeinden beleben die Heiligen Stätten, und gleichzeitig bringen sie sich mit ihren christlichen Werten und nicht zuletzt dem christlichen Friedensengagement in ihre Umgebung ein. Darum ist es von großer Bedeutung, dass die kleine Zeugnisgemeinde der einheimischen Christen einen festen Platz in ihren jeweiligen Gesellschaften einnimmt.

Müller: Wichtig ist, dass alle Staaten, auch im Nahen Osten, sich nicht als konfessionell und religiös festgelegte Staaten verstehen. Auch wenn die Identität eines Volkes natürlich durch seine Geschichte und Religion geprägt ist, so misst sich die Einhaltung der Menschenrechte auch an der Religionsfreiheit, am Respekt vor den religiösen Minderheiten. Hier wie in allen Demokratien der Welt gilt, dass eine Abstufung der Grund- und Bürgerrechte nicht hinnehmbar ist; Minderheiten dürfen administrativ nicht so in die Ecke gedrängt werden, dass sie sich nicht mehr umfassend und öffentlich ausdrücken können. Es ist ein Kriterium für das Selbstverständnis eines Staates, wie er mit Minderheiten umgeht.

KNA: Die Situation der Christen ist ohnehin schwierig. Trotzdem gibt es immer wieder Negativmeldungen über das Miteinander der Kirchen in Jerusalem - Handgreiflichkeiten in der Grabeskirche etwa. Welche Bedeutung kommt der Ökumene zu?
Müller: Wir können von Europa aus natürlich keine Ratschläge geben. Aber sicher wäre es hilfreich, wenn die Christen im Heiligen Land noch mehr mit einer Stimme sprechen könnten. Durch eine stärkere Zusammenarbeit könnte die Wahrnehmung der christlichen Minderheit im multireligiösen Kontext verbessert werden. Das sehen die christlichen Vertreter hier aber zumeist selbst so. Allerdings darf man die kirchliche Vielfalt im Heiligen Land nicht aus einer westlichen Perspektive beurteilen: Hier ist die Vielfalt nicht aus einem Gegeneinander der Konfessionen entstanden. Es handelt sich vielmehr um ein historisch gewachsenes Nebeneinander von Gemeinschaften, die sich nach und nach hier angesiedelt haben. Dass das auch Probleme mit sich bringt, ist nur natürlich. Dennoch eint uns mit den Kirchen des Ostens der Glaube und das sakramentale Verständnis von Kirche.

Feige: Die Vielfalt der Kirchen gehört zum Reichtum der Heiligen Stadt. Ökumene bedeutet daher nicht Vereinheitlichung, sondern es geht um den Abbau von trennenden Hindernissen und um eine tiefere Einheit. Wir unterscheiden da zwischen dem "Dialog der Liebe" und dem "Dialog der Wahrheit". Auf der ersten Ebene ist in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel passiert, auch wenn wir uns immer noch viel besser kennenlernen müssen. Gleichzeitig geht es jetzt um eine ehrliche Auseinandersetzung mit Problemen wie etwa der Wahrnehmung des Papstamtes. Das war bei unserem Treffen auch dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Theophilos III. ein Anliegen.

Dieses Thema steht jedoch bereits auf der Tagesordnung laufender Gespräche und demnächst anstehender hochrangiger Dialogtreffen.

KNA: Wie kann das aber erreicht werden, wenn schon das gemeinsame Beten im Heiligen Land immer wieder ein Problem darstellt?
Feige: Das ist natürlich ein sensibles Thema. In West- und Mitteleuropa ist in der Ökumene schon viel selbstverständlich, was im Verhältnis zwischen Westen und Osten auf Misstrauen stößt.
Allerdings kann man das nicht durch ein Dokument oder irgendeinen Hebeldruck ändern. Man muss vielmehr über kontinuierliche Gespräche und persönliche Erfahrungen Vertrauen zueinander und Verständnis füreinander gewinnen. Unser Besuch hier sollte auch ein kleiner Beitrag dazu sein. Das gilt aber auch für die Pilger, die im Heiligen Land eine einzigartige Möglichkeit haben, den Reichtum der christlichen Ausdrucksformen kennenzulernen. Viele Gläubige bei uns wissen ja gar nicht um die Vielfalt der östlichen Riten, sogar innerhalb der katholischen Kirche.

Mussinghoff: Für Pilger ist dieses Durcheinander von Konfessionen oft verwirrend, was durchaus verständlich ist - vor allem, wenn man dann auch von den Missklängen hört. Andererseits ergibt die lebendige Begegnung mit lebendigen Christen ein anderes Bild: Man versteht die Problemlagen der einzelnen Konfessionen besser. Das erleben auch die evangelischen und katholischen Studierenden des Theologischen Studienjahres an der deutschen Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg, die in Jerusalem Ökumene in ihrer bunten Vielfalt kennenlernen.

Das Interview führte Gabi Fröhlich.