Restaurierung von Kölner Kulturgütern wird Jahrzehnte dauern

Es war einmal ein Stadtarchiv

Ein halbes Jahr nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist der Erhalt vieler bei dem Unglück beschädigter Kulturgüter noch ungewiss. Zwar seien inzwischen etwa 85 Prozent der verschütteten Archivalien geborgen, sagte die Leiterin der Kölner Stadtarchivs, Bettina Schmidt-Czaia am Donnerstag in Köln: "Geborgen heißt aber nicht gerettet."

Autor/in:
Barbara Driessen
 (DR)

35 Prozent der Materialien wiesen schwerste Schäden auf, jedes zweite Stück müsse als schwer bis mittel beschädigt gelten. Lediglich 15 Prozent seien nur leicht beschädigt. Fünf Prozent der Archivalien gelten derzeit als Totalverlust. Die Restaurierung der teilweise in winzige Fragmente zerlegten Dokumente nannte Schmidt-Czaia ein «Milliardenpuzzle». Auch müssten alle Fundstücke gründlich vom aggressiven Betonstaub befreit werden.

Die Restaurierung aller Kulturgüter wird mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Nach einer Musterrechnung der Stadt Köln wären 200 Restauratoren 30 Jahre mit dieser Arbeit beschäftigt. Um sie zu bewältigen, sollen die Archivalien an Experten im gesamten Bundesgebiet und dem Ausland vergeben werden, wie Kölns Kulturdezernent Georg Quander ankündigte.

Bei dem Einsturz des Archivgebäudes und zweier benachbarter Wohnhäuser waren am 3. März zwei junge Männer getötet worden. Als mögliche Unglücksursache gilt ein Wassereinbruch in einer U-Bahn-Baustelle nahe dem Archivgebäude.

Der Rat der Stadt Köln soll in seiner Sitzung am 10. September einen Standort für das neue Archivgebäude festlegen. Mit der Eröffnung des laut Quander dann «sichersten und modernsten Kommunalarchiv Europas» wird frühestens 2014 gerechnet. Auch soll der Rat die Gründung einer Stiftung ermöglichen, mit deren Unterstützung die enormen Kosten der Restaurierung bewältigt werden sollen. Sie soll nach Einschätzung von Quander jährlich rund 20 Millionen Euro erwirtschaften. Als mögliches Vorbild nannte er die Stiftung der Dresdner Frauenkirche.

Bettina Schmidt-Czaia erinnerte an die Bedeutung des Kölner Archivs, in dem unter anderem Urkunden ab dem Jahr 920 sowie weitere herausragende Dokumente der europäischen Kulturgeschichte aufbewahrt wurden: «Vermutlich werden wir erst in zwei bis drei Jahren einen Überblick darüber haben, welche Archivalien erhalten werden konnten.»

Die Bergungsarbeiten in der Kölner Südstadt werden nach Angaben der Archivleiterin noch mindestens 15 Monate andauern. In einem Grundwasserkegel an der Unglücksstelle vermutet Schmidt-Czaia noch weitere Archivalien, darunter große Teile aus dem Nachlass des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll. Damit die Helfer in diesem Bereich ungefährdet arbeiten können, sind umfangreiche Sicherungsmaßnahmen erforderlich, die allein sechs Monate in Anspruch nehmen werden. Ihre Kosten werden auf rund vier Millionen Euro geschätzt.