Kölner Dom heute im Mittelpunkt eines Theaterstücks - Der Autor im Interview

"Keine schrille Eventgeschichte"

Erstmals seit seiner Einweihung 1880 ist der Kölner Dom Hauptdarsteller einer imposanten Inszenierung. Dem weltberühmten Wahrzeichen wird mit dem Theaterstück "Das Kölner Domspiel" heute abend eine Hommage auf den Leib geschrieben. Im domradio-Interview verrät Michael Batz, der Autor des Stücks, die Geschichte und wie er mit ihr auch die Verantwortlichen des Doms von der Idee überzeugen konnte.

 (DR)

domradio: Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Mysterienspiel?
Batz: Die Idee entstand, als der jetzt noch amtierende Oberbürgermeister Fritz Schramma vor Jahren in Hamburg war. Er hat sich den "Jedermann" angeschaut. Er war so begeistert, dass er sich so einen "Jedermann" auch in Köln wünschte. Ich sagte ihm damals: Herr Schramma, lassen Sie das. Ich schreibe Ihnen was Neues. Machen Sie etwas, das neu in Köln und das auch nur in Köln so wirklich seinen Ort findet als etwas Unverwechselbares. Einen "Jedermann" machen sie mittlerweile überall.

Und das hat dann eine Weile gedauert. Aber jetzt im Rahmen des Kongresses "Stiftung lebendige  Stadt" ist endlich die Möglichkeit gegeben, das zu tun. Und es ist jetzt eine Geschichte, die sich mit dem Kölner Dom auf eine Weise beschäftigt, wie sie offensichtlich noch nicht passiert ist. Nämlich eine Art szenische Meditation. Was passiert  mit uns selber eigentlich? Mit uns, die wir auch Bestien in uns tragen? Ist es nicht umgekehrt auch so, dass die Bestien, die dort oben in Stein gehauen sind, vielleicht auch etwas Menschliches in sich haben? Und es ist dann ein modernes Märchen. Es ist ein Gegenwartsstück, das vor dem Südportal aufgeführt werden soll.

domradio: Welche Geschichte wollen sie erzählen?
Batz: Die Geschichte ist angesiedelt in einer Situation einer Dombauhütte. Es geht darum, dass ein Steinmetz vor der Aufgabe steht, aus einem rohen Block ein Bild herauszuhauen. Und er weiß nicht, welches. Wenn er ein traditionelles Bild eines Wasserspeiers nimmt - das ist ja so eine Fabel-Zwitter-Figur des Mittelalters - dann ist er eigentlich nur ein Kopist und wiederholt etwas, was heute die Zeit kaum noch versteht. Wenn er jetzt etwas ganz modernes macht, wie es zwischenzeitlich ja auch mal passiert ist hier, dann riskiert er eigentlich an der Idee des Doms vorbei, etwas heute sehr Aktuelles und morgen Vergessenes. Und insofern weiß er nicht so recht, wie er vorankommt. Und er bemüht eine Legende, nämlich dass man in einer solchen Situation die alten Bilder befragen soll, wenn man ein neues machen will. Und das sind diese Bestien. Im Grunde genommen werden die Bestien befragt wie die eigene Seele. Ist man eigentlich so unschuldig? Geht man rein, offen und unschuldig an ein Werk, eine Idee heran? Oder ist man doch von einer Eitelkeit geleitet? Und er kann jetzt diese Wasserspeier in einer großen Szene herunterholen, die kommen dann auch - mächtige Klötze, viel größer, als man von unten wahrnimmt - und öffnen sich zu einer großen Musik auch. Und siehe da: Aus den Wasserspeiern, den Ungeheuern und Bestien, treten hervor acht historische Figuren aus sechs Jahrhunderten, die alle aus der Kölner Geschichte stammen. Und die kriegen jetzt die Aufgabe, innerhalb von drei Tagen einen Menschen finden zu müssen, der sie so liebt, dass er im Extremfall sogar bereit wäre für sie nach oben zurückzugehen und zu Stein zu werden.

domradio: Verraten Sie eine der Persönlichkeiten?
Batz: Es sind eher Typen aus verschiedenen Epochen. Zum Beispiel ein Schneider aus dem Biedermeier, ein Ratsherr aus der Gaffel-Zeit, eine Marktfrau aus dem 20. Jahrhundert. Sie repräsentieren insofern ganz Köln.

domradio: Und alles wird mittels Licht dargestellt?
Batz: Wir müssen natürlich alles mit Theatermitteln darstellen. Wir können nicht Alpinisten am Seil herunter kommen lassen. Das wäre auch ein Stilbruch. Wir machen das aus einer Kombination Licht, Bild, Figur und Nebel. Und: Die Bühne wird richtig voll sein.

domradio: Zurück zur Entstehungsgeschichte des Stücks: War es schwer, das Domkapitel und Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu überzeugen?
Batz: Ich habe gelernt, dass es ein gewisses Verhältnis zwischen Stadt und Kirche gibt hier. Und wenn man von außen kommt, weiß man das erstmal nicht und ist eher etwas überrascht. Ich bin dann eingeladen worden, das Projekt vorzustellen in einer Situation, wo man doch erstmal eher skeptisch war Aber ich habe dann einfach die Geschichte erzählt, dass ich keine schrille Eventgeschichte veranstalten will, sondern zu einem Inhalt kommen will. Nämlich zu einer Befragung: Was ist ein Wert? Was ist der Wert innerhalb der Gesellschaft? Was bedeute ich anderen? Und was ist eigentlich der Zusammenhalt von Gesellschaft? Und das überzeugt sowohl den Dompropst und die Dombaumeisterin. Die waren ganz erleichtert, dass keine Dinge geschehen, mit denen sie nicht hätten einverstanden sein können.