Landeselternkonferenz wirbt für neue Akzeptanz des Lehrerberufs

"Ein neues Bewusstsein muss her"

Mit einem Parteinstreit beginnt für rund 2,8 Millionen Schüler und etwa 190.000 Lehrer heute in NRW das neue Schuljahr. CDU und SPD sind sich uneins über das Ausmaß des Lehrermangels. Dass die regierende Unionspartei überhaupt einen Mangel eingesteht, hält Eberhard Kwiatkowski für "erheblich". Der Vorsitzende der Landeselternkonferenz kritisiert im domradio-Interview verfehlte Politik in der Vergangenheit und plädiert für eine neue Akzeptanz des Lehrerberufs in der Gesellschaft.

 (DR)

domradio: Die zuständige Ministerin Sommer erklärte, Grund für den Mangel seien regionale oder fächerspezifische Probleme. Deckt sich das denn mit ihren Erfahrungen - also: Stimmt das?
Kwiatkowski: Nicht ganz. Über den Lehrermangel kursieren ja unterschiedliche Zahlen. Die Opposition spricht von wesentlich mehr Lehrern, die fehlen. Die Regierung spricht immerhin von 800 Lehrern. Wenn eine Regierung von Mangel spricht, ist das schon erheblich! Wir stellen fest, dass eigentlich in allen Bereichen Lehrer fehlen. Vor allem in den letzten zwei Jahren habe ich festgestellt, dass wir in vielen Fächern - nicht nur in den Naturwissenschaften - keine Lehrer fehlen.

domradio: Was sind die Gründe für den Lehrermangel?
Kwiatkowski: Zum einen die verfehlte Politik der Vor-Vorgängerin. Und: Der Stand des Lehrers ist nicht mehr der, den wir früher hatten. Ob wir den haben müssen, ist wieder eine andere Frage. Aber: Früher gab es den Arzt, den Bürgermeister, den Lehrer und den Pastor, die sehr hoch angesehen waren. Das Ansehen des Lehrers heute ist sehr schlecht. Die Arbeitsbedingungen für die Lehrer halte ich auch nicht für adäquat. So dass keiner mehr Lehrer werden möchte. Zumindest die Guten nicht mehr. Und das ist für unsere Zukunft - die Zukunft unseres Landes - fatal.

domradio: Was müsste getan werden?
Kwiatkowski: Einmal müssten wir in der Gesellschaft selbst ein besseres Bewusstsein haben für das, was Lehrer leisten. Dafür werben wir auch sehr. Es gibt immer schwarze Schafe, in jedem Berufsstand. Ich möchte hier keine Absolution für alle Lehrer aussprechen. Aber Lehrer leisten einen erheblichen Beitrag für die Ausbildung unserer Kinder. Und die meisten machen das auch sehr engagiert. Und da müssen wir als Eltern und Gesellschaft das auch anerkennen. Das wird zu wenig getan. Dann schließt sich auch der Kreis und dann werden möglicherweise - ich hoffe das sehr - mehr den Lehrerberuf als idealen Berufen wählen. Das brauchen wir. Möglichst bald, denn in den nächsten Jahren wird das Problem sicherlich noch schlimmer werden. Wir brauchen wesentlich mehr und engagierte Lehrer.

domradio: Welche "Notfallmaßnahmen" kann man denn kurzfristig gegen den Lehrermangel anvisieren?
Kwiatkowski: Es wird ja schon einiges von der Landesregierung getan. Es gibt die so genannten Seiteneinsteiger. Das ist aber auch nicht das Mittel der Wahl. Denn nicht jeder Seiteneinsteiger eignet sich für den Lehrerberuf. Auch das habe ich persönlich festgestellt. Entweder sind die Damen oder Herren überqualifiziert und passen eigentlich nicht in den Schulbetrieb. Dort müssen sie sich ja mit den Kindern beschäftigen - und nicht unbedingt mit ihrem Fach. Das ist aber zumindest eine Möglichkeit der Entlastung. Es wäre auch hilfreich, darüber sollte die Landesregierung auch mal nachdenken, dass man den Bereich rund ums Lehren wie Verwaltungsaufgaben entlastet. Der Lehrer muss heute alles tun.